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Mahler und Strauss im Musikverein, Kräftemessen am „Wunderhom“-Meister

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Zwei Hauptwerke Gustav Mahlers gleich zum Saisonbeginn im Musikverein: LeifSegerstam führte mit dem ORF-Symphonieorchester das „Lied von der Erde“ auf, Claudio Abbado mit den Wiener Philharmonikern die „Vierte“. Zwei Konzerte, die einmail mehr deutlich zeigten, welches Übermaß an Konzentration, Streicherglanz und -Intensität, an solistischer Instrumentalbravour und Stimmschönheit diese ausladenden symphonischen Werke brauchen.

Keine Frage, daß die „Vierte“ bei den Philharmonikern in den besten Händen war. Und wenn Abbado nicht den ersten Satz im Tempo merkwürdig leger genommen hätte, wäre es eine beispielhafte Wiedergabe gewesen: ganz ohne Pathos, aber auch ohne jene falsche Naivität, die man dieser Symphonie von den „himmlischen Freuden“ und von „englischem Leben“ gern aufsetzt. Eine wohl ausgefeüte Wiedergabe voll schimmernder und raunender Klänge. Kiri te Kanawa aus Neuseeland, eine der meistge- rühmten jungen Sängerinnen, debütierte in Wien: eine glanzvolle, ja jubelnde Stimme, von strahlender Höhe, aber merkwürdig kühl. Was vor allem ihre Wiedergabe der „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss um die persönliche Färbung brachte. Da fehlte es an Wärme, an Sinnlichkeit und am Eros (und auch an Wortdeutlichkeit!). Mahler stand ihr da schon weit näher: Das Artistische des „Wunderhom“-Liedes paßt besser zu ihrer Stimme.

Sauber und mit viel Mühe erarbeitet klang das „Lied von der Erde“, für das Segerstam sich Margarita Lilowa und Werner Hollweg holte. Da merkte man, wo die soli- stische Bravour im Orchester fehlt und daß vor allem die Streicher Mahlers weitgespannte und manchmal verrinnende Bögen nicht mit jener packenden Dichte zu gestalten vermögen. Und manche Stelle, die gewichtlos und fahl klingen müßte, melancholisch und von tiefer Resignation umweht, blieb im Handfesten stecken. Was auch durch den sehr persönlichen Einsatz der Solisten nicht wettgemacht wurde. Außerdem spielte das ÖRF-Symphonieorchester Richard Strauss’ erste symphonische Dichtung, „Macbeth“, ein Kolossaltongemälde voll von brüllenden Blechentladungen, hysterischem Gekeuche und düsterstem Ge- dröhne. Was Segerstam überdies noch undifferenziert abschnurren ließ.

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