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Ausklang im Konzertsaal

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Dem Konzert Otto Klemperersmit der IX. Symphonie von Gustav Mahler sah man nicht ohne Sorgen entgegen. Denn das schwierige, überlange Werk ist keineswegs „tägliches Brot“ für das Wiener Orchester, wie die meisten der übrigen von Klemperer dirigierten Kompositionen. Aber es ging alles gut, ja es wurde trotz beträchtlicher, manchmal gefährlicher Dehnungen fast so etwas wie ein Fest, eine Feier- und Weihestunde, zumal auf Wunsch des Dirigenten zu Beginn in memoriam Robert Kennedy Mozarts Maure- rische Trauermusik gespielt wurde. (Das Konzert war am vergangenen Sonntag vormittag zwischen 11 und 13 Uhr über den Sender Österreich I zu hören.) — Über die „Neunte“ schrieb ein Zeitgenosse Mahlers, sie bezeuge eine bis dahin unbekannte, phantastische Art musikalischen Darstellungsvermögens und sie sei, wie viele Alterswerke, voller Zukunftsahnungen. Das Stoffliche des Klanges, die Gesetzlichkeit seiner Materie, tritt zurück vor geistigem Schauen der Tonvision: das Transzendente der Tonvorstellung herrscht. „Alle Elemente der bisheri gen Tonsprache werden auf ihre Wahrhaftigkeit, ihre Zukunftsgeltung geprüft. Nichts hält stand, was sich nicht dem Bedürfnis äußerster Steigerung gewachsen zeigt.“ Eine solche Musik zu realisieren ist der greise Klemperer der Richtige. Freilich bedarf es dazu auch eines Instrumentes wie der Wiener Philharmoniker, die diesen Tag als einen großen, schweren und ehrenvollen in ihre Annalen ein schreiben können! H. A. F.

Otto Klempererbeschloß den Philharmoniker-Zyklus mit einem Programm, das in seiner hellen Farbigkeit und Frische fast schon hochsommerlichen Charakter hatte. Erstaunlich leidenschaftlich, randvoll mit Verve und Brio, im Grunde aber doch vom Intellekt bestimmt, geriet Richard Strauss’ symphonische Dichtung „Don Juan". Sollte der Schleier der Melancholie, den Klemperer über den Schlußteil des Werks breitete, seine eigene Erinnerung an schöne Jugendtage aufdecken? Schuberts „Achte“, mit deren Wiedergabe die Philharmoniker die Matinee eröffneten, strömte über von geschmeidigem, samtig timbriertem

Streicherklang. Prachtvolle koloristische Valeurs schimmerten in den Bläserstimmen. Vorspiele zu Wagners „Tristan“ und den „Meistersingern" sowie das „Siegfried-Idyll“ bildeten das bald sehnsuchtsvoll dämmernde, bald festlich gleißende, dann in heiterer Schönheit ausklingende Finale. Enthusiastischer Jubel.

K. H. R.

Sozusagen zum Abschied von den Wiener Festwochen 1968 dirigierte Josef Krips im Musikverein Haydns Oratorium „Die Schöpfung“: Eine geläuterte Aufführung voll schlichter

Schönheit, Verinnerlichung, in den drei Teilen streng ausgewogen und plastisch konturiert, dabei in den Details reich an liebevoller Genremalerei, wurde dieser Abend für das Publikum zum Erlebnis. Der Weg vom Chaos ins Paradies, in dem Adam und Eva sich in Lobpreisungen ergehen und glücklich sind, solange falscher Wahn sie nicht verführt, wurde vom Singverein (Einstudierung: Helmuth Froschauer) und den Symphonikern mit Impetus, feinem Gefühl für dramatisch gefärbte Momente und lyrisch-narrative Einzelheiten und Situationen realisiert. Im Solistenterzett, das nicht ganz gleichwertig besetzt war, gefiel vor allem Walter Berry, der mit fülliger, geschmeidiger Stimme Raphaels und Adams Arien sang. Adele Stolte — Gabriel und Eva — hätte man stellenweise etwas mehr Volumen, in den Verzierungen mehr Stärke gewünscht. Nicolai Geddas lyrisch-weiches Timbre kontrastierte dazu in der Partie Uriels. Dank Josef Krips’ straffer Leitung geriet die Wiedergabe als eine Meisterleistung an Konzentration, hymnischer Schönheit.

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