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Große Symphonie, Matthäuspassion

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Im 6. Konzert des Zyklus „Die Große Symphonie“ gab's ein Wiener Dirigentendebüt: Dar junge Mailänder Aldo Ceccato wurde zunächst am Verdi-Konservatorium, dann in den Niederlanden, später auch in Berlin ausgebildet, wo er Assistent bei Sergiu Celebidache war. Gegenwärtig ist er Chefdirigent des Detroit Symphony Orchestra, also eine steile Karriere. An Sicherheit fehlt es dem jungen Mann nicht, auch nicht an Begabung für Showeffekte, wohl aber an Akkuratesse bei der Ausführung von Details. Die (unbedeutende) Ouvertüre zu der Rossini-Oper „Die Reise nach Reims“ lief so dahin. — Im 1. Klavierkonzert von Brahms bestimmte der in Leitmeritz geborene österreichische Pianist Rudolf Buchbinder den Stil der Wiedergabe. Er liebt es, kräftig zuzugreifen, was im ersten Satz durchaus möglich ist. Aber dann, in den folgenden Teilen, fehlte es an der typischen Brabmsschen Stimmung, das Helldunkel wurde von harten Scheinwerfern zerrissen, und das Allegro-Finale klang stellenweise grob, der Steinway, für Brahms nicht sehr geeignet, zuweilen hart. — Auf Dimitri Schostakowitschs genialische 1. Symphonie, die der knapp Zwanzigjährige 1926 schrieb, hatte man sich vergeblich gefreut: Die Wiedergabe (am Donnerstag-Abend) war auf weite Strecken recht beiläufig, der heikle erste Satz voll Un-genauigkeiten (Patzer der Holzbläser vor allem), im Ganzen nahmen Dirigent und Orchester das leicht klingende, aber recht heikel zu spielende Werk zu sehr auf die leichte Schulter. Hier rächte sich, was wir von allem Anfang an bemerkten: daß der Dirigent in erster Linie auf Show hinarbeitet, dann erst kommt das wohlstudierte, genau ausgearbeitete Detail. Auch unsere tüchtigen Symphoniker haben wir schon besser und präziser gehört als an diesem Abend.

Franz Xaver Meyer und sein Wiener Madrigalchor führten im Musikverein Bachs Matthäuspassion in einer auf etwa 150-MinutennDauer gestrafften Fassung auf. Eine wie stets von diesem Chor mit viel Ambition gestaltete Wiedergabe, der man die lange gründliche Probenarbeit des Chors vor allem in den Details anmerkte. Meyers verläßliche Einstudierung (mit Instrumen-talisten des ORF-Symphonieorchesters) bewirkte, daß hier vieles geradezu kammermusikalisch inspiriert und ins Intime zurückgenommen klanig, das sonst durch die Größe der Chöre allzu pathetisch gerät. Dramatische Stellen kehrten dadurch um so mehr Effekte hervor, die lyrischen Momente konnten frei ausschwin-gen. Probleme bereitete natürlich die Solistenbesetzung, die mehr durch das Engagement der einzelnen überzeugen konnte als durch technische Sicherheit, an der es immer wieder mangelte. Dennoch: ein erfreuliches Beispiel, daß sich heute wie einst Musikenthusias'ten zusammenfinden, die dieses enorm anspruchsvolle Werk abseits des kommerzialisierten Konzertbetriebs erarbeiten und anfführm.

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