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Mütter für Mutter Erde

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Ein paar von uns, von der Franziskus-Gemeinschaft Pinkafeld, hatten sich bereit erklärt, einem uns befreundeten Bauern in Untersiebenbrunn beim „Ruamheinln“ (Rüben hein-teln, händisch das Unkraut zwischen den Zuckerrüben beseitigen) zu helfen. Wenn einer schon aufs Giftspritzen verzichten will, dann muß man ihn auch unterstützen.

Beim Rübeneinsatz wird in Gesprächen immer deutlicher, wie man im Marchfeld mit der Mutter Erde umgeht. Da wird Gift gespritzt, Gift gespritzt, Gift gespritzt.

Wegränder mit Blumen gibt es kaum noch. Da wird alles, was wächst, künstlich bewässert, Tag und oft auch Nacht. Nicht nur das Gemüse — auch Getreide, Erdäpfel, Rüben. Unabhängig vom Wetter wollen sie sein, höhere Erträge erzielen.

Zwei bis drei Traktoren hat ein Bauer. Er erspart sich damit die Mühe, seine Geräte umzuspannen. Aus der Mutter Erde wird das Letzte herausgeholt. Brachzeiten gibt es keine.

Der Einheitswert ist seit 1962 enorm gestiegen, sagen sie, und durch eine solche Landwirtschafts- und Finanzpolitik seien sie gezwungen, den Hektarertrag mit allen möglichen Mitteln zu steigern.

Ich kann es nicht glauben - solange sie ihre Häuser aufstocken, den heranwachsenden Kindern schon neue Häuser bauen, Mercedes-Autos in der Garage stehen haben, sich um des Geldes wülen an Tiefkühlkonzerne verkaufen, die ihnen dann diktieren, was auf „ihrem“ Grund zu welchem Zeitpunkt in welcher Art und Weise zu geschehen habe.

Aber um des einen Bauern in Untersiebenbrunn willen, der kein Gift mehr spritzen will, und um des anderen in der Nachbarortschaft willen, der als „Bio-Bauer“ Spott und Mitleid der Dorfgemeinschaft zu ertragen hat, um dieser beiden willen handle und rechte ich mit Gott, das Land zu verschonen.

Das Wort ergeht jedoch an die Mütter.

Wenn schon die Männer sich an der Mutter Erde vergehen, sie auspressen, vergiften, mißhandeln, dann sei an die Frauen und Mütter appelliert.

Wie die Mutter Erde sind sie fruchtbar, sind die Grundlage des Lebens, verstehen das Weibliche an der Erde darum vielleicht besser.

Wenn sie, die Frauen, ihren Männern gegenüber einmal zu verstehen geben, daß sie das aufgestockte Haus, das neue Auto, die neue Einrichtung eigentlich gar nicht brauchten — alles Dinge, wofür sich die Männer gerne abrackern —, wenn sie aus ihrer Verantwortung für die Schöpfung mehr Interesse zeigen für das, was die Männer am Feld draußen treiben, da ja sie und ihre Kinder, und überhaupt alle das gleiche Brot essen, wenn und wenn ... dann, würde sich im Bewußtsein und in den Herzen langsam etwas ändern.

Die Verantwortung liegt bei jedem, bei jeder einzelnen, da Gott uns als Individuen, als Unikate, unwiederholbar geschaffen hat, da er uns einzeln beim Namen ruft und keiner, keine von uns sich auf die Nachbarn ausreden kann.

Wenn wir mit unseren Automobilen, mit der Vergiftung des Bodens, mit unserer Bequemlichkeit gegen das Leben sind, dürfen wir uns über Katastrophen wie Tschernobyl nicht wundern, die zu allem anderen, was auf Erden geschieht, noch aus der Luft über uns hereinbrechen.

Solche Katastrophen sind im Gegenteil ein barmherziger Fingerzeig Gottes, daß wir zu weit gegangen sind und umkehren müssen.

Umkehren zu ihm, unserem Herrn und Gott, zu seinem Plan mit der Schöpfung, zur Bereitschaft uns diesem Plan unterzuordnen und nicht der Schöpfung unsere Ordnung aufzuzwingen, umkehren zu Einfachheit, Unbequemlichkeit, zu Uberschaubar-keit statt Undurchschaubarkeit, zu Kleinem statt zu Großem, zur Armut statt zum Reichtum.

Wenn uns etwas in Europa retten wird, dann die Armen. Leute, wie jener Bauer in Untersiebenbrunn, der mit seiner Frau unter der prallen Sonne langsam die Reihen der Zuckerrüben durchgeht, um das Unkraut händisch zu beseitigen.

Und wenn Mütter auf der ganzen Welt - angefangen von Argentinien, bis zu Nordirland, bis ins Mafia-Land —, auf die Straße gehen und für den Frieden, für das Leben demonstrieren, dann können Mütter auch für die Mutter Erde auf die Barrikaden steigen.

Eine christliche Mütterrunde in Untersiebenbrunn im Marchfeld hat im Mai dieses Jahres damit angefangen.

Der Autor ist Mitglied der Franziskus-Gemeinschaft in Pinkafeld und ehemaliger ORF-Mitarbeiter.

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