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Nicht nur Kardinäle

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Giaoomo Manzü zählt zu jenen Italienern, in deren Schaffen die Tradition der antiken Formen, der antiken Ausdruckselemente, von Anfang an den Stil bestimmte: Marini, Ma-scherini, Greco, sind diesem Denken im Sinne der traditionellen Monu-mentalplastik verbunden; und auch Manzü hat sich Zeit seines Lebens gegen alle Verformungen, etwa des Menschenbildes in der Kunst ausgesprochen: Fortführung des klassischen Erbes, ein neues Überdenken etrmkisch-rorruscher, romantischer und gotischer Elemente, die moderne Übersetzung In Bronze... Das sind Manzüs Anliegen. Charakteristisch ist dabei, daß Manzüs Figuren bei aller Größe und Monumentalität — sein „Großer Wagen“ etwa ist sechs Meter lang — doch niemals in leerem Pathos, in leerer Repräsentation erstarrt sind. Im Gegenteil: Sogar die Riesenplastiken scheinen zurückgenommen in die Sphäre des natürlichen Schönen.

Natürlich hat man Manzü immer wieder häufig kritisiert: Wegen der vielen elementar-erotischen Gefälligkeiten, wegen der allzu repräsentativen Aufträge, wegen seiner Vorliebe, gewisse Themen ständig zu variieren, so die Tänzerinnen in Schrittstellung, den tönenden Kardinal, die sich zur Schau stellenden Akteure in der Gestalt griechischer Götter und mit mythologischem Gehabe ... Aber Form muß doch auf allen möglichen Wegen mitgeteilt werden können; auch im Bereich Massischen Ausdrucks, in glatt polierter Bronzeoberflächen, um so mehr, als Manzü sich so der äußerlichen Stilisierungen wieder abstrahierenden Skeletthaftigkert entzieht.

Nun zeigt Manzü im Salzburger Museum Carolino-Augusteum und seit kurzem auch in der Galerie Welz die größte Ausstellung seiner Werke, eine beinahe vollständige Bestandsaufnahme der letzten Jahre mit zahlreichen dokumentarischen Hinweisen und Bezügen zur Vergangenheit.

Salzburg und Manzü. Das ist eine sehr persönliche Bindung. Seit 20 Jahren war er hier gemeinsam mit Kokoschka an der Salzburger'Sommerakademie tätig, hier lernte er seine Frau Inge kennen, deren Büste wir überall in der Ausstellung finden und die das Vorbild für seine „Passi di danza“-Figiur gewesen sein muß. Hier schuf Manzü eines seiner Hauptwerke: Die Bronzetore des Salzburger Doms, in denen er das geistige Erbe römisch-byzanthini-scher und romanischer Kunst resümiert und die erste vollgültige moderne Lösung eines Kathedralentors schafft. Und hier stellt er sein Geschenk an Salzburg, seine Kardinials-plastik auf.

„Habt keine Angst vor der Natur — sie hält auch nicht auf“, sagte einmal Manzü in einer Rede an seine Schüler: „Wenn ihr mit der Natur arbeitet, sie sogar nachbildet, so könnt ihr Neues schaffen, denn das Resultat ist nicht das äußerliche, sondern das, was in euch selbst verborgen bleibt.“ Darin hegt Manzüs ganzes Bekenntnis zum klassischen Denken, das sich gegen den Manierismus in der Gegenwartskunst wendet. Die Arbeiten beweisen das; etwa die 40 Aquatintaradierungen bei Welz, die in Gold und Silber geformte antikisierenden Masken und Schmuckstücke, die man ausschließlich vom Standpunkt der Plastik sehen sollte, vor allem aber das nur 17 Zentimeter hohe Graiblegungsre-lief von 1958. Sie zeigen, mit welcher Sensibilität und Zartheit Manzü in kleinsten Dimensionen Monumentalität zu entfalten vermag und wie er andererseits in der Kolossalgrup-pe, etwa im marmornen „Großen Liebespaar“ der Jahre 1971 bis 1974, Intimität und Diskretion vorzuspielen weiß.

Die Gegner Manzüs werden freilich zu Recht immer wieder seine dekorativen Schmuckarbeiten kritisieren: die goldene Feder mit Smaragden, die Orchidee, das an Briefbeschwerer erinnernde goldene „Sesselchen mit gefalteten Tüchern“, allzu raffinierte Luxusspielerei, bei denen das kostbare Metall das plastische Erlebnis völlig in den Hintergrund rückt, dafür zu sehr den Charakter sündteurer Souvenirs trägt. Halbwelt der Kleinkunst: Manzü hätte sich diesen Ausflug in die Bedeutungslosigkeit ersparen können.

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