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Nicht öffentlich

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Angesichts des Priestermangels ist die Kirche der Gegenwart gezwungen, ernsthaft nachzudenken. Sie muß dies mit aller Konsequenz im Blick auf ihren Auftrag tun und solcherart zugleich die zentrale Frage stellen: Können wir mit den gegebenen Mitteln einer agnostischen Welt glaubhaft machen, daß der Sinn unserer Nachfolge der unbegreifliche, geheimnisvolle Gott ist, der sich der Geschichte unwiderruflich und wahrheitsstiftend selbst mitgeteilt hat? Anders gesprochen: Haben wir ein ausreichendes Potential an Menschen, die das mit ihrer ganzen Existenz tun? Und wenn nicht: Haben wir alles uns Mögliche getan, daß es genug solcher Menschen gibt? Die Frage nach der konkreten Form des Priesteramtes sollte nicht öffentlich diskutiert werden, zumal in der öffentlichen Diskussion wie immer gearteter Leistungsdruck aufkommt.

Zuallererst müßte es eine Klärung des Traditionsbegriffes geben; Traditionen müssen gebaut werden, es müßte doch, so Karl Rahner, „etwas wie eine ekklesia-le Futurologie geben, wo Alternativen durchdiskutiert werden". Dies muß in einem redlichen, offenen Stil geschehen, in „gegenseitiger Geduld mit der gegenseitigen Befähigung, Fragen stehen zu lassen" (Rahner). Der Bau von Traditionen muß ohne vorherige Fixierung auf ein gewünschtes Ergebnis behutsam, aber entschieden und mutig begonnen werden.

Von der Notwendigkeit der umfassenden, volkskirchlichen Verkündigung einerseits und der Unverzichtbarkeit des sakramentalen Prinzips andererseits überzeugt, muß in aller Denkschärfe nach neuen Formen gesucht werden. Lohfinks Thesen zum Zölibat werden auf dieser Suche genauso berücksichtigt werden müssen wie Josef Piepers Ontologie des Priesters.

Zum andern scheint es bedeutsam, in der Sorge um Berufungen ein glaubhaftes, für den heutigen jungen Menschen auch attraktives Priesterbild zu zeichnen; niemand würde vernünftigerweise die Ehe zuerst von daher bestimmen, daß man nun eben nur einem Menschen zugehört und auf alle anderen, die man vielleicht eben-sogerne geheiratet hätte, verzichten müsse. Der ungeheure Reichtum, der mit der Berufung zur Verkündigung verbunden ist, sollte allemal im Vordergrund einer dynamischen, vorgelebten Werbung für den Priesterberuf stehen.

Das konkrete Leid, welches durch die Sündhaftigkeit unserer eigenen Existenz und durch die Menschen insgesamt verursacht wird, hat eben nicht primär mit der momentan bestehenden Form des Priesteramtes zu tun, sondern gründet in der Freiheit und Endlichkeit des Menschen als einem der Verweigerung fähigen Geschöpf. Das Leid des verwundeten Herzens Jesu trifft aus diesem Grund den verheirateten Laienchristen in genau derselben Weise wie den ehelosen Kleriker.

Die Kirche sollte also in der Frage des Priesteramtes nicht ängstlich und zaudernd, sondern gelassen und präzis denken; es sollte vor allem aber sichtbar werden, daß konkrete soziologische Formen nicht die letzten Fragen des Glaubens sind.

Der Autor ist Generalsekretär der Katholischen Aktion der Diözese Gurk-Klagenfurt; ein Beitrag von Bischof Johann Weber zum Thema erschien in der FURCHE 26/1984.

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