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Nicht schreiben, was man sollte

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Ich traf ihn in Bangkok, im Hotel Intercontinental, genauer: an der Bar. Ich kannte ihn schon aus New York, aus Washington und aus Paris. Kennen ist vielleicht zuviel gesagt. Ich wußte, wer er ist:

Einer der bedeutendsten japanischen Zeitungsverleger. Japan hat unzählige Zeitungen. Die großen Verleger sind wirklich einflußreiche, in jedem Sinne wichtige und meist sehr reiche Persönlichkeiten. Der, mit dem ich an der Bar saß, war deprimiert. Der Grund: Seit einigen Monaten, seitdem Rotchina sozusagen wieder ins Gespräch gekommen war, bemühten sich die großen und auch die mittleren japanischen Zeitungen, Korrespondenten nach China zu schicken. Insgesamt hatten die Zeitungen für rund tausend Korrespondenten Einreisebewilligung und Arbeitserlaubnis angefordert und entsprechende Unterlagen vorgelegt. Tausend Korrespondenten, das wäre viel für England, sogar für die

über unsere Anträge entscheiden, sen. Iran wies einen BBC-Korre-Und in Europa interessiert so etwas spondenten aus, Libyen den Korre-wohl kaum.“

Moskau kann man sich wohl kaum vorstellen — und vermutlich in Peking noch weniger —, daß Angestellte einer großen amerikanischen oder englischen Zeitung nicht brotlos werden, nur weil sie nicht so schrieben, wie es den Russen oder den Chinesen paßte. Will sagen, denen paßte, die darüber zu entscheiden haben, was die Welt über sie wissen soll und was nicht.

Immerhin — siehe die Ausführungen des japanischen Verlegers — Die Spitze hält bei weitem die diese Ausweisungen oder NichtUdSSR. Im Jänner verweigerte man Zulassungen machen einen gewissen spondeten des „Observer“, Nigeria zwei israelischen Journalisten die Eindruck in der Branche. Man wird den Korrespondenten von „News- Visen, im Februar wurde ein Hollän- vorsichtiger. Vieles wird nicht geAufgabe der Souveränität? week“ der ausgewiesen, desgleichen zwei schrieben, was geschrieben werden Ich finde, es sollte uns doch inter- Pakistan hat gleich fünfunddreißig Mitarbeiter der Zeitschrift „Der sollte. Vieles wird geschrieben, was essieren. Denn hier handelt es sich Ausländer ausgewiesen, der „New- Stern“, im März eine deutsche Jour- nicht geschrieben werden sollte. Das um etwas Prinzipielles. Wer ent- York-Times“-Korrespondent wurde nalistin, und im Mai wurde fünfzig Meiste wird anders geschrieben, als scheidet eigentlich, wer über ein später ebenfalls ausgewiesen, der italienischen Journalisten mitgeteilt, es geschrieben werden sollte. Land schreiben darf? Natürlich das Korrespondent des „Daily Tele- daß ihre Visen nicht verlängert wer- Also Zensur. Und es besteht keine

Land selbst, respektive seine Regie- graph“ nicht hereingelassen. Sene- den würden (siehe dazu unsere Re- Aussicht auf ihre Aufhebung. Trotz rung. Wenn dies nicht so wäre, wenn gal: ein britischer Journalist ausge- portage auf Seite 40). dem ist es nicht unwichtig, daß wi wiesen. Singapur: ein amerikani- Übrigens geht die russische Stati- erfahren, wie die Dinge stehen. Ode scher Journalist ausgewiesen. Süd- stik nur bis zum September. Die um es anders zu sagen: keine Nach afrika: eine amerikanische Journalieine Regierung — jede Regierung — nicht in der Lage wäre, einen Korrespondenten — jeden Korrespondenten — auszuweisen oder mögstin wurde verhaftet, da sie dem Hereingelassenen dürfte also noch einem Land der Welt, das .diktäto-licherweise zu inhaftieren, gäbe es Ausweisungsbefehl nicht gefolgt wesentlich höher liegen als hier ge- risch regiert wird, muß der Wahrheit keine solche indirekte Zensur. war. Uruguay: ein südamerikani- meldet. Dies alles ist, man kann es entsprechen. Sie entsprechen eben Das International Press Institute, scher Journalist ausgewiesen. Zam- nicht oft genug unterstreichen, Zen- immer nur dem, was die betreffeneine amerikanische Gründung in bia: ein südafrikanischer Journalist sur. Zensur durch Erzeugung von den Länder über sich verbreitet zu Zürich, hat immer wieder versucht, ausgewiesen. Angst, vor allem Existenzangst. In wissen wünschen. die Länderregierungen zu einer entsprechenden Zusage zu bewegen, nämlich, daß sie Korrespondenten nicht ausweisen würden. Sie ist nirgends damit auf Gegenliebe gesto-

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