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Noch ist das Wunder nur ein Wunsch

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300.000 beim Empfang, nochmals gleich viele bei der Jugeridmesse, eineinviertel Millionen im Phoenix Park von Dublin, und wieder eine Viertelmillion auf den ehemaligen Schlachtfėldern von Drogheda, hart an der Ulster-Grenze: Allein am ersten Tag seines Irland-Besuches schon hatte die Hälfte der Republik-Bevölkerung den Papst in persona erlebt.

Kein Wunder, daß selbst hartgesottene britische Journalisten mit genug antipapistischer Munition für mehr als ein Dutzend Leitartikel gerührt nach neuem Vokabular zu fahnden begannen: Dieser Johannes Paul II. hat sich auch in Irland als Naturereignis erwiesen.

„Auf meinen Knien bitte ich euch, die Pfade der Gewalt zu verlassen und auf die Wege des Friedens zurückzukehren! … Im Namen Gottes bitte ich euch: Kehrt zurück zu Christus, der gestorben ist, damit die Menschen in Versöhnung und Frieden leben können!… Hört nicht auf die Stimmen, die eine Sprache des Hasses, der Rache, der Vergeltung reden! Folgt nicht den Führern, die euch im Töten unterweisen…

Als vor weniger als Jahresfrist in der FURCHE einige Autoren ein überzeugenderes Engagement der Kirche für den Frieden in Nordirland forderten, gab es Zweifel und Beschwichtigung: Wo käme der Papst hin, wenn er an jeden Ort der Welt pilgern müßte, wo es Unrecht gibt? !

Jetzt ist er dort gewesen. Und wohin er noch kommen könnte, ist schon Gegenstand mancher Spekulationen geworden: nach Libanon zum Beispiel. Der robuste Polen- Papst beweist, daß die Welt von einem geistlichen Oberhirten mehr als nur fromme Predigten von der Bene- diktions-Loggia des Apostolischen Palastes aus erwarten kann.

Die von einem „Wunder des Friedens” träumen, werden freilich noch warten müssen. Die Aufnahme der Papstappelle durch die Anglikanische Kirche war erfreulich. Selbst methodistische und presbyteriani- sche Stimmen lassen hoffen, daß jene, die der Papst als seine „Freunde und Brüder” apostrophiert hat, ihn verstanden haben. Große Hoffnung nährt das Friedensangebot protestantischer Kampfgruppen.

Daß der protestantische Fanatiker Ian Paisley den Papst nicht verstehen will, darf man als bekannt verausset- zen. Aber nicht er allein steht einer Versöhnung im Weg. Werden nicht auch unter den Millionen jubelnder Katholiken viele gewesen sein, die den Besuch als Ermunterung ihrer eigenen unnachgiebigen Haltung empfinden werden, so wie man eben aus vielen Reden nur heraushört, was gut in den eigenen Ohren klingt, und alles andere rasch wieder verdrängt? Haben nicht manche der irischen Bischöfe bisher zu leise gegen Terror und Gewalt geredet? Hat man nicht die Pflege aufrichtiger ökumenischer Gesinnung auch auf katholischer Seite in Irland allzu lange allzu sehr vernachlässigt?

Die IRA-Fanatiker wollen „nach- denken” und „prüfen”. Hoffentlich werden das auch jene amerikanischen Iren tun, die in naiver Verkennung der „irischen Sache” bisher immer wieder Geld für IRA-Mordta- ten schickten. Auch ihnen muß der Papst in den USA noch einen Pfahl ins Gewissen bohren.

Man kann, man darf, man muß auf ein Wunder hoffen. Passiert ist. es noch lange nicht.

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