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Nur für Halbwüchsige?

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Seitdem der Mensch den Mond, und nun auch bald den Mars, „eroberte“, hat die Science-Fiction — ob nun in der Literatur oder in den Filmen — eine neue Dimension bekommen. Wie Dr. Matos, ein Experte auf diesem Gebiet, es im Laufe einer Diskussion beim kürzlich abgehaltenen 14. Internationalen Festival der Science-Fiction-Filme in Triest betonte, gerät die Fiktion jetzt schon manchmal ins Schlepptau der Wirklichkeit — dies gilt u. a. für Reisen zu Planeten unseres Sonnensystems —, wogegen in anderen Domänen die Wissenschaft noch lange nicht das erreichte, was sich so mancher Schriftsteller oder Filmemacher in seiner Phantasie vorgestellt hat.

In vieler Hinsicht war dieses 14. Triester Festival ein Festival der Rekorde: Rekord an Länge, weil heuer zum erstenmal das Festival auf zwei Wochen ausgedehnt wurde, Rekord, was die Zahl der aufgeführten Filme betrifft — etwa 120 kurze und abendfüllende Streifen —, aber leider auch Rekord, was die Schwäche dieser Filme im allgemeinen anbelangt.

Das Festival von Triest ist, wenn nicht das einzige, so doch das älteste dieser Art in Europa (es gibt ähnliche Veranstaltungen in Sitges, Spanien, sowie in Paris). Bedauerlicherweise werden nicht immer die besten Filme hieher geschickt, und so fiel auch heuer die Auslese besonders ungünstig aus. Man fragt sich zum Beispiel, was der belgische Film „Apres le vent des sables“ (Nach dem Sandsturm) hier verloren hatte: man kann ihn bestenfalls als eine Parabel über die heutige Konsumgesellschaft betrachten, aber damit ist man noch sehr weit von Science-Fiction entfernt. Auch der polnische Fernsehfilm „Weißer als der Schnee“

— übrigens ausgezeichnet gemacht und gespielt — ist mehr ein ungelöster Kriminalfall, mit einigen geheimnisvoll anmutenden Charakteren. Fehl am Platz waren ebenfalls die beiden tschechischen Komödien: „Wie soll man Dr. Mraöek ertränken?“ von Vaclav Vorlicek handelt von den sogenannten Undinen, die angeblich die Moldau bevölkern, während „Sind wir ein gutes Paar, Liebling“ von Petr Schulhoff nur eine neue Abwandlung des schon nicht mehr neuen Themas Partnerwahl unter Mithilfe eines Computers ist.

Die Aufgabe der internationalen Jury — Schriftsteller, Filmregisseure und Kritiker aus Frankreich, Italien, Spanien, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten — war bestimmt nicht leicht, und es kam auch nur zu einem mehrheitlichen Beschluß für den „Asteroido d'Oro“

— die höchste Auszeichnung, die das Triester Festival zu vergeben hat. Sie ging heuer an den französischen Film „Hu-Man“ von Jeröme Lape-roussaz — nach dem Motto „Im Reich der Blinden ist der Einäugige

König“. Unter normalen Umständen, d. h. bei einer entsprechenden Konkurrenz, wäre der Film „Hu-Man“ vielleicht gar nicht aufgefallen. Aber da es keine besseren gab, blieb er Sieger.

Ein Forscherteam widmet sich in „Hu-Man“ dem Ziel, die Zeitreise zu ermöglichen. Dem Mann, der hiefür ausgesucht wird, gelingt es auch, in eine unbestimmte Zukunft zu reisen: die Erde hat sich aber inzwischen völlig verändert und ist zu einem öden, menschenfeindlichen Planeten geworden. Ungeklärt bleibt allerdings für den Zuschauer, ob dies das Ergebnis eines atomaren Krieges, der ständigen Umweltverschmutzung oder einer Naturkatastrophe ist. Jedenfalls wendet sich der Zeitreisende wieder der Vergangenheit zu — in der Hoffnung, dort seine früh verstorbene junge Frau wiederzufinden — und findet dabei den Tod. Ein Positivum hat dieser Film allerdings zu bieten, und zwar die großartige schauspielerische Leistung des Hauptdarstellers, Terence Stamp — der einen wohlverdienten Preis als bester männlicher Schauspieler erhielt.

Wenn wir schon dabei sind, die Preise aufzuzählen, so müssen wir auch den Gewinner eines Sonderpreises nennen, „für seine Fähigkeit, das Fabelhafte in den Dienst der Science-Fiction zu stellen“, und zwar den sowjetischen Regisseur Richard Viktorow mit seinem Film „Halb-wüchsige im Universum“. Dieser Streifen war so ungefähr das Beste, was wir an echter Science-Fiction — im Sinne „Space Opera“ — zu sehen bekamen. Allerdings handelt

es sich um einen Film für Jugendliche, und deshalb wohl konnte man ihm nur einen Sonderpreis zukommen lassen. „Halbwüchsige im Universum“ ist die Fortsetzung des ebenfalls von Viktorow gedrehten „Cassiopea“, und nichts hindert diesen Regisseur daran, uns nächstes Jahr eine neue Abenteuerfolge dieser jugendlichen Astronautenmannschaft zu bieten.

Ein Raumschiff wurde in Richtung des Sternbildes von Cassiopea gestartet; der vorjährige Film erzählte vor allem die Vorbereitungen und die ersten Wochen der' Sternenreise. Die Mannschaft wurde deshalb aus kaum 12- und 14jährigen Buben und Mädchen zusammengestellt, damit sie eventuell noch in einem annehmbaren Alter zur Erde zurückkehren könnte. Schon jetzt, im zweiten Film, ist für die Raumfahrer erst ein Jahr vergangen, während auf der Erde 27 Jahre vergangen sind (gemäß der Auswirkung des schon von Einstein vorausgesagten Zeit-Raum-Paradoxons). Einige Mitglieder der Mannschaft landen auf einem Planeten, der schon außerhalb unseres Sonnensystems liegt. Die humanoiden Wesen, womit sie dort zuerst in Kontakt kommen, entpuppen sich als Roboter, die derart vollkommen entwickelt wurden, daß sie die Macht an sich gerissen haben. Es gelingt den Jugendlichen aber, die Roboter unschädlich zu machen und den Planeten seinen ursprünglichen Bewohnern zurückzugeben. Es geht also recht harmlos zu, aber doch spannend, und vor allem ist dieser Film mit viel Sorgfalt gemacht.

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