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Fauler Zauber in Triest

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Als vor zehn Jahren das erste „Internationale Science-Fiction-Film-Festival“ in Triest stattfand, war dies ein hoffnungsvoller Beginn, mehr als nur eine touristische Attraktion für die nördlichste, einst österreichische Hafenstadt der Adria; es galt damals, ein von der Filmkritik zu Unrecht verachtetes und vom Großteil des Publikums mißverstandenes Filmgenre — das als künstlerische Gattung genau die gleiche Berechtigung besitzt wie jede andere — zu rehabilitieren, zu popularisieren und seinen Standpunkt zurechtzurücken. In den nächsten Jahren gab es dann, als die gebotene Kost immer schneller und bescheidener wurde, noch heftige Debatten, was eigentlich unter „Science-fiction“ zu verstehen sei, ob der utopische Horrorfilm noch zu dieser Gattung gerechnet werden könne, wieweit das Fantastische im Film überhaupt unter „Fantascienza“ (im Italienischen ist das Genre weitaus großzügiger ausgedehnt) falle. Doch allmählich wurde aus dieser Spezialfilmveranstaltung ein privater Freundeskreis, ein Treffpunkt mehr für Fans und Vertreter obskurer Science-fiction-Klubs sowie einiger unbedeutender „Literaten“, Verfasser von Kioskheften, als von Filmkritikern, Filmjournalisten und Filmfachleuten — und die Folge: da internationales, halbwegs bedeutsames Presse-Echo fehlt, zogen Produzenten und Verleiher sich immer mehr von diesem längst unbedeutend gewordenen „Filmfestival“ zurück und die Veranstalter haben von Jahr zu Jahr immer mehr Mühe, überhaupt Filme, die nur halbwegs diesem Thema — „irgendwie“ — eingeordnet werden können, zusammenzukratzen. Von Filmen wie „Odyssee im Weltraum“, „Planet der Affen“, „Solaris“, ja selbst B-Produktionen kaum noch eine Spur — wenn russische Kinderfilme phantastischen Charakters heute nach Triest geschickt werden, kann man schon dankbar und glücklich sein (meinen zumindest die Veranstalter).

Diese, leider einmal notwendige Einleitung zeigt schon auf, unter welchen Voraussetzungen das diesjährige „X. Festival Internazionale del Film di Fantascienza“ in Triest, ein „Jubiläumsfestival“ sogar, stand. Von den elf im Wettbewerb gezeigten Filmen waren ganze zwei richtige Science-fiction-Streifen, eigentlich nur einer — und daß er dann zum Schluß den Hauptpreis, den „Goldenen Asteroiden“ gewann, war also eigentlich nur selbstverständlich und logisch: „Silent Running“ von Douglas Trumbull, eine an Kubricks „2001 — Odyssee im Weltall“ angelehnte, doch viel bescheidenere und billigere, technisch aber ausgezeichnet gestaltete kosmische Raumfahrtstory; der andere Beitrag, „Doom-watch“ aus England, war mehr grausige Realität als Fiction: radiumversuchte Fische rufen unerklärliche Mutationen unter den Bewohnern eines kleinen Fischerstädtchens hervor ...

Alle anderen Filme waren entweder Horrorstreifen — wie Japans „Kluketsuki Gokemidoro“ von Hai-jime Sato, eine unsagbar primitive Vampirgeschichte von Wesen aus fernen Planeten, die die Erde erobern, oder „Beware the Blob“, eine an die fünfziger Jahre Hollywoods gemahnende Gruselfiction von einer ständig wachsenden, alles verschlingenden roten Puddingmasse, die nur unter Kälteeinwirkung ihre Gefährlichkeit verliert; eine symbolische Anspielung? — oder Filme um Zauberer, schwarze Magie und Hexen, mit denen das Festival diesmal in überreicher Zahl bevölkert war: „Nec-ro-man-cy“ von Bert Gordon (mit einem sichtlich nur wegen der Gage mitwirkenden superdämonischen Orson Welles) als „Rosemaries Baby“-Epi-gone, ebenfalls aus den USA „The Brotherhood of Satan'“ von Bernard McEveety, eine unbeschreiblich dumme amerikanische Kleinstadtgeschichte um alte Leute, die sich durch Zauberei (und natürlich reichlichen Blutkonsum) in ihre Jugend zurückversetzen, oder die belgisch-italienische Gemeinschaftsproduktion „AI servizio del Diavolo“ mit Jean Ser-vais und Erika Blanc, die Schilderung einer grausigen Nacht auf einem geheimnisvollen Schloß, während der der Teufel die Seelen sieben Reisender („die sieben Todsünden“) holt, oder die zumindest schön photogra-phierte und mit viel Bildgeschmack gestaltete mystische Ballade „Les soleils de l'ile de päques“ mit der Glanzbesetzung Francoise Brion, Alexandra Stewart, Jaques Charrier und Norma Bengell, in die Pierre Kast viele Rätsel um die Osterinsel hineingeheimniste. Unterhaltsam und amüsant war wenigstens der tschechische Beitrag von Vaclav Vorlicek, „Divka na kosteti“, der die Verwicklungen und Komplikationen in grotesker Form schildert, die ein Hexenlehrmädchen in unserer Zeit und Welt anrichtet___

Doch hat wohl Zauberei und Hexerei nur wenig mit Science-fiction zu tun — genausowenig wie die zwar mit Filmklassikern wie Clairs „Pakt mit dem Teufel“, Tourneurs „Hand des Teufels“ und Carnes „Satansboten“ reich besetzte Retrospektive, die heuer dem „Teufel und seinen Geschöpfen“ (wohl passend zum Hauptprogramm, nicht aber zum Thema) gewidmet war. Wenigstens diese Filme — wozu noch die erste musikalische Science-fiction-Filmkomödie aus dem Jahr 1930 „Just Ima-gine“ als besondere Sensation zu gelten hat — entschädigten für das Mißvergnügen des Hauptprogramms, das völlig zu Unrecht als Festival des

Science-fiction-Films ausgegeben wurde...

Aber nichtsdestoweniger: Triest ist eine wunderschöne Stadt, die man besuchen und erleben sollte — auch ohne irgendein mißlungenes touristisches Reklamefestival...

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