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Horror in Triest

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Triest ist eine wunderschöne Stadt

— noch immer, auch wenn die Eleganz und Vornehmheit mit einer älteren Generation, noch aus der Monarchie stammend, immer mehr dahinschwindet, Schmutz und Schlamperei immer deutlichere Formen annehmen und manche Teile einem riesigen Mexikoplatz immer ähnlicher werden. (Erklärung für NichtWiener: Der Mexikoplatz ist Wiens größtes Verkaufsviertel für Gastarbeiter und Osttouristen, wo zu niedrigen Preisen miserable Qualität verramscht wird.) Triest besitzt, besonders des Abends, von einem der Hügel aus gesehen, wenn die Lichter glitzern und die Meeresbucht — am Rande die Silhoutte von Miramare

— von der untergehenden Sonne verklärt wird, einen Zauber, dem sich kein Besucher entziehen kann und der noch immer besteht und hoffentlich auch weiterbestehen wird. Auch wenn, wie dieses Filmfestival beweist, alles getan wird, um den Aufenthalt zu verleiden (und alles nicht getan wird, um Fremde nach Triest zu bringen!).

Da gibt es in Triest, heuer zum dreizehnten Mal, ein Filmfestival, für das sicherlich Millionen von der Azienda Autonoma Soggiorno e Turismo ausgegeben, nein, hinausgeschmissen werden — völlig sinnlos; da versucht eine sichtlich des Metiers unkundige und ihrer Aufgabe nicht gewachsene Triumviratsorganisation irgendwie im letzten Augenblick einige Filmchen zusammenzukratzen, die irgend etwas mit „Fantasia“ zu tun haben (von Science-fiction kann man nur in den allerseltensten Glücksfällen sprechen) — und dann werden dazu einige Leutchen eingeladen, die irgendwelchen obskuren Science-fic-tion-Klutos angehören oder wenig bedeutende Science-fiction-Hefte publizieren, einige Journalisten, die gelegentlich „auch“ (neben Modeschauen, Industriemessen und Außenpolitik) über Film schreiben und bestenfalls an den Fingern einer Hand abzahlbare echte Filmjournalisten und -kritiker.

Und was kriegt man auf dieser Filmwoche der ahnungslosen Eitelkeit geboten? Nein — nicht „2001 — Odyssee im Weltall“ oder „Rollerball“ etwa — nein: amerikanische B-Pictures, die wohl nie in Europas Filmtheater kommen werden, spanische letztklassige Horrorprodukte, deutsche Fernsehfilme („Das Genie“) und pseudo-phantastische Beiträge aus sozialistischen Ländern... Und das Ganze nennt sich dann stolz „Festival Intemazionale del Film di Fantascienza“, und es werden sogar Preise vergeben, „Goldene“ und „Silberne Asteroiden“, was nun wirklich schon lächerlich ist. (Übrigens, zur Orientierung: heuer erhielt „Phase IV“ von Saul Bass, USA, den „Goldenen“, Henk van Visen als angeblich bester Darsteller in Belgiens unterdurchschnittlichem Antiselbst-mordfilm „Golden Ophelia“ einen „Sübernen“ — und der zweite „Silberne Asteroid“ für die beste Darstellerin wurde erst -gar nicht vergeben, weil eine gute schauspielerische Leistung beim besten Willen nicht zu entdecken war!)

Und die eingeladenen Adabeis, Science-fictions-Fans und Gelegenheitsfilmkritiker werden das Festival in ihren Kluibblättchen loben — natürlich, sie verbringen doch eine herrliche Gratisurlaubswoche im wunderschönen Triest (mit einigen Badestränden in der Nähe, mehr frequentiert als der Kinosaal und auch sachverständiger beurteilt).

Wenn die Stadt Triest wirklich etwas für ihre so wunderschöne Stadt tun will, dann sei ihr dringend angeraten, mit diesem unsinnig-sinnlosen „Fantascienza-Festival“ (das einzig Phantastische daran ist, daß es tatsächlich dreizehnmal stattgefunden hat!) Schluß zu machen und das Geld für etwas zu verwenden, das nun wirklich Triest Ehre macht und eine internationale Aufgabe bedeuten würde; wie wäre es da etwa mit einem „Festival der Donauländer“ (angesichts der historischen Bedeutung der Stadt) — in dessen Rahmen täglich ein anderes Land, Jugoslawien, Bulgarien, die CSSR, Rumänien, Italien und Österreich „seinen“ Tag hätte, mit Filmen, Theatervorstellungen, einer Ausstellung? Doch es scheint Absicht zu sein: man will anscheinend die Geschichte vergessen — und vergißt dabei, wann Triests Größe und Blüte war — und wann sein Abstieg begann (und womit). Jedenfalls trägt ein derartiges Filmfestival wie das diesjährige nur dazu bei, den schon merkbaren Abstieg noch mehr zu beschleunigen.

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