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„Science-fiction“

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Über die Unsitte von Festspiel- Veranstaltungen wurde in den letzten Jahren genug geschrieben; es gibt kaum noch irgendeinen halbwegs irgendwie oder aus irgendwelchen Gründen attraktiven Ort, der nicht seine eigenen Festspiele hätte — seien es Festivals der Musik, des Theaters oder der Siebenten Kunst, des Fürns. Triest gehört zu der letzten Kategorie; immerhin besteht ein „Festival Intemazionale del Film di Fantascienza" — Festspiele, an denen Science-fiction-, Horror- oder phantastische Filme gezeigt werden, und zwar in einer täglichen Wettbewerbs- und einer Retrospektivveranstaltung in dieses Genre fallender historischer Streifen, eine Woche lang — bereits seit neun Jahren. Dennoch fragt man sich immer wieder und in diesem Jahr mehr denn je, wozu oder für wen wird diese Veranstaltung eigentlich gemacht? Sie ist außerhalb des im Juli, unter drückender Hitze lastenden nördlichsten Adria-Hafens So gut wie unbekannt, abgesehen von ausgesprochenen Liebhabern („Science-fiction-Fans“) nimmt kaum jemand Notiz davon — und die wenigen Fremden oder ausländischen Touristen, die zu dieser Zeit Triest wohl in erster Linie als Durchzugsstadt an jugoslawische Badestrände frequentieren, haben infolge ungenügender und kaum sichtbarer Reklame erst recht keine Ahnung, daß hier ein Filmfestival stattfindet. Von den durchaus nicht um billiges Geld eingeladenen Teilnehmern und Gästem besteht nur ein geringer, weniger als das, minimaler Prozentsatz aus Filmfachleuten, -kritikern oder -joumalisten, denn der Hauptteil der Anwesenden setzt sich aus Mitgliedern merkwürdiger Sciencefiction-Clubs aus allen Teilen Europas zusammen oder Pseudo-Schriftstellern, die dann in ihren obskuren Blättchen (meist hektographiert und in Auflagen bis zu 100 Stück) über das Festival filmisch unfachliche Auslassungen von sich geben. Die Stadt Triest verschleudert hier sinnlos ihre Subventionen — man sollte statt der vielen unwichtigen Adabeis mehr echte Filmkritiker einladen, wirkliche Journalisten, dann hätte Triest die Reklame, die doch wohl die Absicht eines derartigen Spezialfestivals darstellt!

Dann muß das Festival allerdings .auch interessanter und besser zusammengestellt sein als das diesjährige neunte: eine Retrospektive unter dem Titel „Der Surrealismus im Film“ vermischte Sternbergs „Shanghai Gesture“ und Bunuels „Chien andalou" mit Schroeters „Eika Katapa" und einem amerikanischen TV-Serien- film „L. A. 2017“, unter den acht Filmen im Hauptprogramm befand sich kein einziger, der eine Reise nach Triest gelohnt hätte (das ist falsch: eine Reise nach Triest lohnt sich immer, nicht aber eine Reise zu einem solchen Filmfestival!); die amüsante tschechische Phantasie- Komödie „Sie sind Witwe, mein Herr" (wir kennen sie vom Viennale- Programm) ist im Grunde genau so wenig aufregend wie der schließlich mit dem Hauptpreis ausgezeichnete amerikanische , Beitrag „Hausers Memory“, eine recht unbedeutende phantastisch-politische Actions-Story mit nationalsozialistischem Hintergrund. Der völlig abstrakte spanische Film „El extrano Caso del Doctor Fausto“, ein keinem Zuschauer sich aufschließendes wirres Bildspiel, der unglaublich uncharmant, hölzern- steif und trocken fabrizierte ostdeutsche Beitrag „Signale — Ein Weltraumabenteuer“, Roger Cor- mans unausgegorene Hippie-Vision „Gas“ (Cormans letztes Opus nach „Bloody Mama“), Italiens düftige Roboter-Komödie „La ragazza di latta“ und schließlich der dürftige amerikanische TV-Serien-Extrakt „Night Slaves“, mit allen Kinofehlem eines echten Fernsehfilms ausgestattet (nämlich mangelnde Action, dafür viel Geschwätz, und wenig optische Großräumigkeit, dafür viel Großaufnahmen) — all dies war so enttäuschend, daß auch die nicht uninteressante französische phantastische Schicksalstragödie „Le temps de mourir“ von Andre Farwagi die völlige Leere des Festivals nicht mehr füllen konnte. Und ein wirklich hinreißender ungarischer Kurzfilm, Istvan Belais Eineinhalb-Mi- nuten-Gag „Gloria mundi“, macht allein kein Triester Science-fiction- Festival aus…’

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