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Pensionsreform: Bittere Pillen mit Zuckerguß

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Wieder einmal hat eine Veröffentlichung in einem Wochenmagazin einen politischen Lawinenabgang ausgelöst. Diesmal ging es nicht um eine Korruptionsaffäre, sondern um „He-souns Geheimplan" für die Pensionsreform. Dabei hätte der Sozialminister den drohenden Zusammenbruch der Pensionsversicherung sicher noch gern länger verschwiegen. Zumindest bis zur Einigung mit den Sozialpartnern oder über die nächste Wahl hinaus.

Die Verlegenheit war dem gelernten Arbeiterkämmerer anzusehen, als er schon jetzt mit der Wahrheit herausrücken mußte. Nicht ohne Grund erging er sich in harmlos klingenden Umschreibungen wie „Netto-Anpassung" für Beitragserhöhungen. Auch die Pläne seines Ministeriums sind so formuliert, wie es sonst Arbeiterkämmerer (als Konsumentenschützer) gar nicht gerne haben. Angenehme Dinge werden hervorgehoben, weniger erfreuliche ins Kleingedruckte verbannt.

Zum Fettgedruckten gehört die Formel „80 Prozent nach 35 Jahren" - seit längerem ein Wunsch der Arbeitnehmer und eine gewerkschaftliche Forderung. Zum Zuckerguß um Hesouns bittere Pillen gehört auch die Idee, für die Bemessung nicht die letzten, sondern die einkommensmäßig besten Erwerbsjahre zugrundezulegen. Man will damit älteren Arbeitnehmern den Entschluß, auch noch einmal eine etwas weniger gut bezahlte Stellung anzunehmen, erleichtern.

Das „Kleingedruckte" war zum Teil keine Überraschung. Die Frühpension soll an Attraktivität verlieren. Wer vor dem künftig für Frauen und Männer maßgebenden 65. Lebensjahr (die Gleichstellung hatte der Verfassungsgerichtshof verlangt) in die Pension gehen will, kriegt einen „Malus". Freilich wird auch der versüßt. Die Formel dafür heißt „Gleitpension". Man kann, wenn man tatsächlich die niedrigere Frühpension in Anspruch nimmt, weiterarbeiten und für jedes Arbeitsjahr einen Bonus für die Endpension erhalten. Das bedeutet einen Anreiz zum Weiterarbeiten und führt so auch zur Einzahlung weitererVersicherungsbeiträge.

Empfindlich werden die Nachteile für künftige Pensionisten, wenn auch nicht abrupt, sondern schleichend. Hesouns Grundgedanke ist, daß die für die Pensionsbemessung maßgeblichen Einkommen durch die Rückrechnung von Gehaltserhöhungen und Inflationsausgleichsraten „heruntergerechnet" werden. Wenn das eine Abwertung um 20 Prozent ausmacht, beträgt die freudig erwartete 80 Prozent-Pension nur 80 Prozent davon, also nur 64 Prozent des Betrages, der auf dem letzten Gehaltszettel stand. Außerdem gibt es eine Formel, nach der die Ruhebezüge erheblich langsamer steigen sollen als die Einkünfte der Erwerbstätigen.

Alles in allem steht also ein gehöriger Leistungsabbau des Pensionssystems bevor. Abbremsen läßt er sich nur durch ein kräftiges Wirtschaftswachstum.Ob das bewußt ist?

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