6852138-1976_51_12.jpg
Digital In Arbeit

Premierengedränge

Werbung
Werbung
Werbung

Immer wieder drängen sich in Wien die Premieren. So gab es eben jetzt sechs an fünf Tagen. Eine Uberschau kann da nur Feststellungen, keine Begründungen bieten; auf gewichtige Fragen, die diese Aufführungen aufwerfen, kann hier nicht eingegangen werden.

Im Burgtheater vermittelte das Gastspiel des Kroatischen Nationaltheaters Zagreb an zwei Abenden starke Eindrücke, von den Bühnenwerken kroatischer Autoren wie von den Inszenierungen her. Das Stück „Kyklop“, eine szenische Fassung des Romans von Ranko Marinkovi6 durch den Direktor dieser Bühne, Kosta Spaiä, führt in das Zagreb des Jahres 1941. Ein zerrissener junger Mensch, von zwei Schauspielern dargestellt, setzt sich mit Umwelt und Uberwelt auseinander. Wirksam ersteht diese Umwelt in vielerlei Szenen. Regie Spaic, 33 Darsteller. Das Drama „Die edle Frau des Hassan-Aga“ von dem 1923 verstorbenen Milan Ogrizovit ist die Dramatisierung einer Volksballade, die einst Goethe nachgedichtet hat. Es geht um die Mutter von fünf Kindern, die ihr Gatte schuldlos verstieß. Selten Gewordenes ereignet sich: Das Szenengefüge wird zu einem Bereich strömender Gefühle. Unpathetisch treffliches Spiel der Darsteller unter der Regie von Dino Radojevi6. Für beide Stücke schuf Drago Turina vorzügliche Bühnenbildlösungen.

Die heutigen Stückeschreiber, die Schwarz in Schwarz malen, haben in Marieluise Fleißer ein Vorbüd, das sie fasziniert. Auch das Volksstück „Der starke Stamm“, als letztes von ihr nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt und nun im Volkstheater zu sehen, ordnet sich dieser Sicht zu. Was sich mit dem Wittiber gewordenen Satt-

lermeister Bitterwolf begibt, mit seiner Schwägerin und der jungen Magd Annerl, die er als älterer Mann heiratet, mit den andern, entlarvt fast alle diese Menschen als völlig verhärtet in Eigennutz, in Besitzgier. So meisterhaft die Gestalten gezeichnet sind, so sehr die Abkehr von verlogener Klein-stadtidyllik notwendig war, so sehr rechtfertigt die nun schon allzu gewohnte krasse Negativdarstellung kleiner Leute, ohne tieferen Gehalt, kaum noch einen Theaterabend. Die Bühne muß doch mehr bieten. Die Szenen werden unter der Regie von Rudolf Jusits mit Peter Hey als Bitterwolf, Hilde Sochor als Schwägerin, Brigitte Swoboda als Annerl massiv ausgespielt. Treffliches Bühnenbüd von Gerhard Jax, einige kitschige optische Effekte soUten entfallen.

Ein Vorkommnis, das sich immer wieder ereignet: Den Bewohnern eines alten Hauses wird gekündigt, weü an dieser Stelle ein Garagenbau errichtet werden soll. Wie sich die Bewohner dagegen vergeblich zu wehren versuchen, zeigt in vielerlei wirksamen Szenen das Stück „Karpelstro/3e Nr. 10“ von der österreichischen Autorin Silke Schwinger, das vom Theater der Jugend in Auftrag gegeben und im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. Es erweist sich, daß auch gesetzmäßiges Verhalten des Hausbesitzers, der amtlichen Stellen, unmenschliche Folgen haben kann. Flotte Aufführung unter der Regie von Peter Gruber mit Elisabeth Stiepl und Ilse Harzfeld, mit Bertram Mödlagl und Tino Schubert in den wichtigsten Rollen. Nette Bühnenbilder von Herwig Libowitzky. Songs von und mit Wilfried gibt es zwischen und in den Szenen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung