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Privates Epos vom Tod

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Die Frau eines Prominenten läßt sich scheiden und macht ein Buch daraus — das gibt zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß. Ruth Dayan indessen zerstreut die Bedenken solcher Art schon nach wenigen Seiten. Sie wil nichts enthüHen, wUl weder sich noch den Mann verteidigen, weder den Mann noch sich an- klagen, wil alerhöchstens ein wenig erklären; nämlich was das heißt, mit einer Legende verheiratet zu sein. Und wenn sie etwas sucht, das nach 36 Jahren zur Trennung geführt hat, dann sucht sie nicht jemandes Schuld, sondern sucht die Ursachen — in ihrem Charakter genauso wie in dem Charakter des Mannes und in der ganzen Situation. Sie: „die ängstlich war, sich davor fürchtete, lächerlch zu wirken, und in emer Traumwelt lebte“. Und er: „ein Mann von Wort“, und schon in der Jugend mit reifen Maximen: „Wir müssen oft Dinge tun, die unsimerfreulch erscheinen“; und: „Man muß einem bestimmten Plan folgen —selbstverständlch nur, solange man den Plan nicht ändert.“

Insofern also erfährt man schon einiges über den Helden des Buches; weniger über den Helden des Krieges; und eigentlch nichts über ihn als privaten Menschen in den reifen Jahren. Schon Moshe Dayans Gefängnishaft unter den Engländern (1939 — 1941) und seine Kopf verwundung, die ihn ein Auge gekostet und ihm dauernde Schmerzen eingebracht hat, erzählt seine Frau distanziert, wenn auch keineswegs teU- nahmslos. Denn schon damals schien sich geheimnisvoll angekündigt zu haben, was Ben Qurion viel später der Frau Dayans gegenüber in die Worte gefaßt hat, „daß im Fal großer Männer Privatleben und öffentliches Leben oft parallel laufen, aber sich nie berühren“. Er — als Freiheitskämpfer, als Offizier und General, als Verteidigungsminister — hatte über Leben und Tod VMI anderen Männern zu entscheid«!, und sie, sie sargte sich weniger um das seine, als um das Leben all dieser anderen Männer.

Dazu nun hatte sie Grund genug. Denn seit sie, Jahrgang 1917, halbwegs erwadisen war, wurde rundum permanent getötet, was um so schmerzlicher empfunden wurde, als in der damals noch relativ kleinen Jud«!gemein(ie Palästinas so gut wie alle einander kannten. Weniger die dann gescheiterte Ehe, vielmehr eine Kette gewaltsamer Todesfälle durchzieht dieses Buch und macht es damit zu einem ergreifenden Dokument des jüdischen Schicksals auch außerhalb Hitlers Maditbereich und auch nachher, als, einen historischen Atemzug lang, das Überleben der Überlebenden gesichert schien. Ein solcher Tod stehe hier für alle die ändern:

,31s erstes Mitglied meiner Verwandtschaft wurde meir» Vetter Yossi getötet… Nach Darstellung der Polizei hatte Yossi es offenbar eilig gehabt, aus der am Meeresstrand gelegenen Unterstadt ins Zentrum (von Haifa), wo seine Eltern wohnten, hinauf zu gelangen. Die Araber betrieben auf der Strecke einen Taxiverkehr, doch die Juden hielten die Taxis für unsicher und benutzten sie nicht mehr, sondern nahmen ihre Zuflucht zu gepanzerten Autobojssen mit jüdischen Fahrern. Zeugen, die’an jenem 10. März (1948) auf einen solchen Bus gewartet hatten, erinnerten sich, daß einige aus der Gruppe versucht hatten, Yossi das Taxi auszureden.

.Dummes Zeug“, hatte er geantwortet. ,Ich bin in Haifa geboren und unter Arabern groß geworden. Man soU keine Angst haben.“

Tante Tzippora erholte sich nie vom Entsetzen über Yossds Todesart. Er kam nicht bei einem militärischen Einsatz um, doch wollte mir immer scheinen, daß er auf Grund seiner ureigenen Art von Heldenhaftigkeit gestorben ist Das Vertrauen zum Mitmenschen, den Glauben an Freundschaft bezahlte er mit dem L.eben; damals dachte ich imd denke noch heute, daß dieser Glaube ebenso notwendig ist wie unsere militärische Wachsamkeit.““

Dieser Glaube spricht aus dem Buche selbst das dadurch etwas anderes — weitaus mehr — dem Leser zu geben vermag als das, was Titel und

Untertitel versprechen, nämlich: den Bück in die Seele des Volkes Israel.

WAR ALLES NUR EIN TRAUM? Von Ruth Dayan und Helga Dudman. Aus dem Englischen von Maria Dessauer. 371 Seiten. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1974.

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