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Ritter brannten, Philipps Kasse klingelte

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Viele interessieren sich für die Templer: Historiker, Schwärmer, Obskuranten. Buchautor Andreas Beck hält ihren Untergang nicht nur für den größten Justizmord des Mittelalters. Er zeichnet die Vernichtung des Ordens durch Philipp den Schönen auch auf eine Weise nach, die Parallelen mit Techniken skrupelloser Machtausübung des zwanzigsten Jahrhunderts erkennbar macht.

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Viele interessieren sich für die Templer: Historiker, Schwärmer, Obskuranten. Buchautor Andreas Beck hält ihren Untergang nicht nur für den größten Justizmord des Mittelalters. Er zeichnet die Vernichtung des Ordens durch Philipp den Schönen auch auf eine Weise nach, die Parallelen mit Techniken skrupelloser Machtausübung des zwanzigsten Jahrhunderts erkennbar macht.

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Leo Trotzki hat sich öfters mit französischer Geschichte befaßt. Ob er an die Tempelritter dachte, als er von Stalin überfahren und seine Anhängerschaft mittels absurder Anklagen ausgerottet wurde?

Kein Ankläger war in der Lage, dem Gericht einen bärtigen Männerkopf aus Stein oder Holz mit vier Füßen, zweien vorne und zweien hinten, vorzuweisen. Trotzdem gestanden die Templer reihenweise, einen solchen „Baphomet" angebetet zu haben.

Frankreichs König erledigte den Orden mit Hilfe neuer Techniken, denen die Ritter in ihren waffenstarrenden Burgen nicht gewachsen waren. Ein wichtiger Faktor war Überraschung. Man kannte kein Beispiel so sorgfältig vorbereiteter, blitzartig über die Bühne gehender Ausschaltung einer so wehrhaften, angesehenen, kaum in Frage gestellten Macht im Staate wie der Templer.

1307 kursierten in Frankreich Gerüchte, die Tempelherren trieben in ihren Burgen übelste Unzucht, ihr frommes Gehabe sei Maske, hinter der sich schlimmste Ketzerei verberge. Im Sommer war der in Avignon residierende Papst Clemens V. schon so beunruhigt, daß er den Großmeister des Ordens, Jacques de Molay, von Zypern nach Frankreich berief. Entgegen der Order, unauffällig anzureisen, zog Molay eine Schaustellung von Macht und Reichtum ab, erschien mit einer kleinen Armee und führte den Templerschatz mit sich.

Streuen von Gerüchten, Propaganda, war keine neue Waffe, aber noch nie so geschickt eingesetzt worden. Die Tempelherren hingegen waren ein müde gewordener, hochmütiger, aristokratischer Ritterorden, der es für müßig hielt, sich darum zu kümmern, was das niedere Volk redete oder sich gar Kundschafter zu halten.

So entgingen ihnen wichtige Ent-.wicklungen. Einmal die auf Stärkung der Königsmacht und gegen die Privilegien von Kirche und Adel gerichtete Entwicklung des Rechts. Die vom König protegierten „Legisten" setzten das Römische Recht an die Stelle des feudalen und erhoben die Folter zum gültigen Mittel der Wahrheitsfindung.

Ebenso verschliefen die Templer die Aufstellung einer Polizeimacht, der Gens du Roi, sowie einer Truppe von Bogenschützen durch den König. Was sollten sie ihnen anhaben? Doch die Gens du Roi hatten sich wenige Jahre zuvor bereits gegen die Juden bewährt. Am selben Tag hatten sie sämtliche Juden festgenommen und solange festgehalten, bis sie sämtliche Verstecke von Gold und Geld preisgaben.

Unseliger Einfall

Die unermeßlichen Schätze der Templer, aufgespart für den neuen Kreuzzug, mit dem ein Mann Wie König Philipp längst nicht mehr rechnete, waren auch das Motiv für die Vernichtung der Ritter. Dazu kam Haß: 1306 hatte Philipp in der Pariser Templerburg Schutz vor dem wegen der alarmierenden Geldverschlechterung erbosten Volk suchen müssen - eine schwere Erniedrigung. Der Schatzmeister der Templer hatte den unseligen Einfall, den König in seine Goldtruhen blicken zu lassen.

Die Festnahme aller. Tempelritter in Frankreich wurde einen vollen Monat vorbereitet, ohne daß ein Wort nach außen drang. Im Morgengrauen des 13. Oktober 1307 öffneten bereitstehende Bewaffnete in ganz Frankreich versiegelte Schreiben. Unmittelbar darauf wurden die ahnungslosen Posten sämtlicher Templerburgen überwältigt, die Ritter im Schlaf überrascht und in ihren eigenen Burgen eingekerkert.

Man soll historische Parallelen nicht über Gebühr strapazieren. Wie Frankreichs König Papst Clemens V., den gebürtigen Franzosen Bertrand de Got, dessen ausgeprägte Schwäche und Feigheit ausnützend, zuerst überging und dann unter Druck setzte und sich einmal mehr gefügig machte, ist Geschichte des Mittelalters. Doch der Prozeß selbst gemahnt an die Prozesse Stalins gegen wirkliche und vermeintliche Gegner. An Stalin erinnert Philipps totale ethische Indifferenz, die Kälte schrankenloser Machtausübung unter verlogener Berufung auf höhere Grundsätze, die Verachtung der Meinung aller, die erkennen konnten, was gespielt wurde. Alllerdings waren die Templer keine Gegner des Königs. Sie waren bloß zu reich geworden.

Eine Falle für die Templer

Der Papst wurde, ohne Rücksicht aufs Kirchenrecht, vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie bestanden aus einer Serie in kürzester Zeit erzielter Geständnisse. An die unter Stalin in der Lubjanka angewendeten Methoden erinnert die raffinierte Mischung körperlicher und psychischer Folter; die körperliche war natürlich mittelalterlich.

Wie Stalins Opfer gestanden auch die Ritter Untaten, so unglaubwürdig wie die Geständnisse der „Trotzkisten" und „kapitalistischen Agenten".

Auch Philipps List qualifiziert ihn zum würdigen Vorläufer: Er führte eine Situation herbei, in der die Gefangenen meinen mußten, im folgenden „geheimen" kirchlichen Verfahren könne man ohne Gefahr die Wahrheit sagen. Auch das war eine Falle. Rücksichtslos machte der König dann vom juristisch gültigen Grundsatz Gebrauch, wonach der Widerruf eines (mit oder ohne Folter) abgelegten Geständnisses ohne weitere Wahrheitsprüfung den Feuertod nach sich zog. Großmeister Molay widerrief öffentlich und starb am selben Tag.

Weit über tausend Templer wurden verbrannt. Die notorische Finanznot des Staates war nur für kurze Zeit behoben.

DER UNTERGANG DER TEMPLER. Von Andreas Beck. Verlag Herder, Freiburg/Breisgau 1992. 322 Seiten, 42 Bilder, Ln. öS 296,40.

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