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Saat der Gewalt

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Brutalitäten, Sadismen und Gewalt sind im Kino nicht als Ausnahmeerscheinung, als „modische Wellen” anzusehen, sondern es gibt sie eigentlich schon seit der Zeit, als der Filrri sich zu einer kommerziellen Industrie zu entwickeln begann. Daß die Gewalt den Menschen unterschwellig ebenso anzieht und fasziniert wie der Horror, ist eine von Psychologen und Psychiatern schon längst erkannte und definierte Er- scheinung, aus der das Kino Kapital zu schlagen verstand — und dies heute besser denn je versteht. Nur hatte man früher noch gewisse Hemmungen, moralische oder sonstige Skrupel, ein gewisses Maß zu überschreiten;. heute, da alles maßlos geworden und aus den Fugen geraten ist, fallen solche Hemmungen (erst recht, wenn es um das gute — oder schlechte? — Geld geht) natürlich weg, und das Kino wird zu einem Tummelplatz der Grausamkeit und Schamlosigkeit, den zu akzeptieren oder gar zu fördern als „progressiv” und als Zeichen von „Jung”-sein gilt.

Doch um zum eigentlichen Thema zu kommen: Innerhalb der Abstumpfung und Gewöhnung an die Gewalt in den Kinosälen gibt es immerhin so etwas wie e’ine neue Linie oder jWelle zu entdecken (die deshalb aber keinesfalls als positiv oder akzeptabler angesehen werden darf), nämlich Filme, die zum Vigilantismus, zur Selbstverteidigung gegen die Gewalt, zur Selbstjustiz auf- rufen. Das Motiv ist gewöhnlich Rache, weil jemand Nahestehender durch (Jewalt enden mußte — und dieser Gewalt wird, weil Behörden und Gesetze zu versagen scheinen, ebensolche entgegengesetzt. Dieses Thema, in den Wilden Westen verlegt, ist der Inhalt eines akzeptablen, doch kaum allzu erfreulichen oder technisch überdurchschnittlich gemachten Western „Bis zum letzten Atemzug” mit Richard Harris (Regie: Barry Shear), und die Geschichte einer tyrannischen Rache, deren unwissentlicher, schäbiger Handlanger sich letztlich zum Instrument der Gerechtigkeit wandelt, ist der Hintergrund eines teils melodramatischen, teils lyrischen, in jedem Fall aber unglaublich grausam-brutalen Films von dem großen Sam Peckinpah, der mit seinem jüngsten Opus „Bring mir den Kopf von Alfredo

Garda” allerdings nicht mehr die Größe und Gültigkeit seiner früheren Westernballaden wie „Sacramento” erreicht. In Bayern wurde der Film eine Zeitlang wegen seiner Gewalttätigkeit verboten, da er „jegliche kritische Stellungnahme gegenüber unmenschlichen Vorgängen vermissen lasse” — was aber wohl auch keine befriedigende Lösung darstellt…

Ein zeitlos gültiger Film, mehr als ein Filmmusical, ein politisches Filmdrama voll faszinierend erfaßter und richtig gedeuteter deutscher Geschichte, ist Bob Fosses „Cabaret” mit der hinreißenden Liza Minelli an der Spitze eines wunderbaren Ensembles; wir können nunmehr dieses grandiose Musik-Film-Drama in der englischen Originalfassung in-Wien sehen und bewundern. Wer den Film noch nicht gesehen hat, dürfte ihn keinesfalls versäumen; wer ihn erst einmal gesehen hat, sollte ihn ein zweites Mal sehen — er wird Neues in ihm entdecken; und wer ihn schon öfter gesehen hat, bei dem bin ich sicher, daß er noch einmal gehen wird, unaufgefordert…

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