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Salz für Böhmen, Salz für die Welt

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Prachatitz, eine malerische Stadt am alten Handelweg zwischen Böhmen und Bayern. Aber auch die Geburtsstadt des Strumpfwirkersohnes Johann Nepomuk Neumann, der in den USA das katholische Pfarrschulwesen begründet hat.

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Prachatitz, eine malerische Stadt am alten Handelweg zwischen Böhmen und Bayern. Aber auch die Geburtsstadt des Strumpfwirkersohnes Johann Nepomuk Neumann, der in den USA das katholische Pfarrschulwesen begründet hat.

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Der Legende nach wird Prachatitz (Prachatice) in Südböhmen demnächst 1000 Jahre alt. Der Heilige Adalbert persönlich soll vor der Jahrtausendwende die erste Kirche auf dem Gebiete dev heutigen Stadt geweiht haben. Urkundenmäßig erfolgte die erste Nennung von Alt Prachatitz im 11. Jahrhundert.

Die Gründung der neuen Stadt erfolgte um das Jahr 1400, als der böhmische König Wenzel IV. das Recht auf die gesamten Salzeinfuhren Pra-chatitzem verbriefte. Ab diesem Zeitpunkt zog in der Salzstadt am Ende des „Goldenen Steiges" (das andere Ende lag in Passau) Reichtum und Wohlstand ein. Tausende „Säumer" -so wurden die Salzträger, die, immer von Überfällen bedroht, in bewaffneten Konvois unterwegs waren, genannt - zogen in den folgenden Jahrhunderten von der Donau her durch das östliche Bayern zum Stapelplatz Prachatitz.

Wenn man sich auf alten Säumerspuren Prachatitz nähert, durchquert man die dichten Nadelwälder des Libi'n (1091 m), an dessen Nordfuß die Stadt liegt. Lillian Schacherl schildert den ersten Eindruck so: „Man fährt in die Stadt, deren überhohe und steilgetürmte Jakobskirche weithin sichtbar ist, wie in eine verzauberte große Muschel hinein: immer wieder dreht sich die Strauße um die Stadtmauer, wie eine Spirale, bis endlich das einige Tor, das man mit einem Auto passieren darf, erreicht ist."

Durch das sogenannte Piseker Tor (Piseckä bräna) erreicht man den Ringplatz mit dem dreiflügeligen Rathaus, das in den Jahren 1570/71 anstelle des alten Rosenberger Schlo-ßes errichtet worden ist. Auf dem Kopfsteinpflaster des Platzes zogen im Jahre 1420 die marodierenden Horden der Hussiten gegen die St. Jakobskirche, wo sich die verängstigende Bürgerschaft versteckt hielt. Die Soldateska hatte jedoch kein

Erbarmen, mitsamt der Kirche wurden alle Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder verbrannt. Sodann wurde die übrige Stadt in Brand gesteckt.

Prachatitz bietet heute den Anblick einer einheitlichen Architektur des 16. Jahrhunderts, die keine Bausünden unserer Zeit entstellt. Schräg gegenüber dem Rathaus finden wir auf Nr. 45 unter prächtiger Laube die ehemalige Salzhalle (1573) mit gemaltem Netzgewölbe und farbigen Sgraffito. Eines der schönsten Häuser beherbergte jahrhundertelang die Literatenschule, die von Jan Zizka und dem Hus-Apologeten Christian von Prachatitz besucht wurde (Kirchplatz-Kostelnf nämestiNr. 29, herrliche Zin-nenattika und Herkules-Sgraffiti).

Wenn man neben dem Rathaus durch eine schmale Seitengasse geht kommt man in die Straße „Stare mesto-Altstadt". Unweit vom Durchgang finden wir auf einem schlichten Gebäude - heute wiederum ein Klostereine deutschsprachige Gedenktafel neueren Datums zu Ehren des großen Sohnes von Prachatitz, des Heiligen Johann Nepomuk Neumann, Bischof von Philadelphia.

Er wurde als eines von sechs Kindern des Strumpfwirkers Philipp und der Agnes Neumann am 28. März 1811 geboren, besuchte in Budweis das Lyzeum der Hohenfurther Zisterzienser und trat nach dem Abschluß des Gymnasiums in das Priesterseminar ein. Als Philosphiestudenten aus Prachatitz einen Ball veranstalteten fehlt er dabei nicht, half ihnen so gut er konnte und stand die ganze Nacht lang hinter der Bier- und Weinausschank.

Vom Böhmerwald in die USA

In den Vorlesungen über Exegese und das Aposteltum wuchs im jungen Mann der Wunsch, selbst als Apostel zu wirken. Er faßte den Entschluß, nach Übersee zu gehen, wo in den USA ein starker Priestermangel herrschte und man froh war, irische oder deutsche Priester zu bekommen. Im Jahre 1835 erfuhr Neumann, daß Bischof Kenrick von Philadelphia Theologen für seine Diözese suche.

Am 6. Juli 1836 besteht er seine letzte theologische Prüfung, nimmt Abschied von seiner Böhmerwald-Heimat und bricht nach Amerika auf. Am 25. Juni dieses Jahres wird er zum Priester geweiht. Er bleibt nur kurze Zeit in New York und reist dann in sein Missionsgebiet, das ihm der Bischof zugewiesen hatte.

1842 trat er in Cincinnati in den Redemptoristenorden ein. Der belgische Provinzial Pater Held, schrieb 1845, als er die amerikanischen Häuser visitierte: „Pater Superior Neumann ist ein großer Mann, der festen Charakter mit Klugheit und wahrer Frömmigkeit verbindet."

Am 1. Februar 1852 wird Pater Neumann von Papst Pius IX. zum Bischof von Philadelphia ernannt. In der Folgezeit begründet er das katholische Pfarrschulwesen der USA (etwa Bishop Neumann High School in Philadelphia).

Bischof Neumann starb am 5. Jänner 1860 in Philadelphia, wo er auch in St. Peter begraben ist. 117 Jahre später wird der Strumpfwirkersohn aus Prachatitz heiliggesprochen. Die Prachatitzer in aller Welt feierten dieses Ereignis.

Die Straße, in der das Geburtsthaus des Heiligen stand, wurde noch im vorigen Jahrhundert „Neumann-Straße" benannt. So hieß sie auch bis 1945 - und wird vielleicht bald wieder so heißen.

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