6926086-1982_11_20.jpg
Digital In Arbeit

Sand für Burnusse

Werbung
Werbung
Werbung

Die Zeitungen schilderten umständlich, wie die Landung seiner Sondermaschine fünfmal verschoben worden war. Wie sie dann, an jenem schönen Märztag des Jahres 1987, doch noch zur Landung angeschwebt war und auf der Piste des Flughafens Schwechat aufgesetzt hatte. Und wie ihr dann der Staatsgast entstiegen war.

Erst am Vortag hatte Österreichs Öffentlichkeit von dem unter tiefster Geheimhaltung vorbereiteten offiziellen Besuch des radikalsten aller Palästinenserführer, Georges Habasch, erfahren.

Selbstverständlich boykottierte die Opposition das Ereignis. Landeshauptleute hatten plötzlich unaufschiebbare Termine in der tiefsten Provinz. Bürgermeister bedauerten, Banketten fernbleiben zu müssen, da sie die Geburtstagsfeier für ein neunzig Jahre alt gewordenes Gemeindemitglied oder die feierliche Inbetriebnahme eines neu montierten Transformatorkastens gerade an diesem Tag unmöglich verschieben konnten.

Schon wenige Minuten nach Habaschs Landung flüsterten Insider einander zu, Habasch möge eine noch so anrüchige Persönlichkeit sein — der wirtschaftliche Erfolg seines Besuches beginne sich bereits jetzt abzuzeichnen.

„In Zeiten wie diesen", sagte eines der für unseren Lebensstandard zuständigen Regierungsmitglieder, „kann man auf kein Geschäft verzichten!"

Aus diesem Grunde hatte die Bundesregierung für Habasch eine große Rundreise durch das Waldviertel organisiert, wo er eine Reihe am Rande des Existenzminimums dahinkümmernder, Burnusse einsäumender Heimarbeiter aufmuntern sollte.

Den schüchternen Einwand eines Reporters, warum man Habasch denn gerade einen so armseligen Wirtschaftszweig vorführe, hatte der Regierungschef im Fernsehen temperamentvoll gekontert: „Sie sehen das völlig falsch! Habasch wird im Waldviertel mit einem großartigen Beispiel dafür konfrontiert, daß in den Industriestaaten die große Umkehr bereits begonnen hat, daß wir bereit sind, bescheidener zu leben und der Dritten Welt entgegenzukommen. Außerdem führen wir ihn am Nachmittag nach Vorarlberg, damit er sieht, daß wir natürlich auch leistungsfähige Textilbetriebe haben und daß er sich um die Kapazität keine Sorgen zu machen braucht. Schließlich wollen wir Aufträge von ihm. In Zeiten wie diesen zählen auch die 350.000 Burnusse, von denen bereits die Rede ist!"

Zur großen Erleichterung der örtlichen Politiker mußten beide Besichtigungstouren abgesagt werden, da Habasch erklärte, der dafür vorgesehene Tag sei dem Gedenken an eine vor vielen Jahren mißlungene militärische Aktion auf israelischem Gebiet gewidmet. „Daran hätten wir denken müssen!", sagte jemand.

Um welchen Terrorüberfall es sich dabei handelte, konnte niemand feststellen, aber ein Regierungsmitglied erklärte dezidiert: „Das Wort Terror will ich in diesem Zusammenhang nicht hören! Die Palästinenser sehen das anders, und wir haben das zu respektieren! In Zeiten wie diesen können wir uns keine Einseitigkeit leisten!"

Statt der Textilreise wurde kurzfristig eine Besichtigung der Weltlichen und Geistlichen Schatzkammer organisiert. Die ausnahmsweise ihrem Glaskasten entnommene Kaiserkrone paßte Habasch vorzüglich. Die Anprobe verlief ohne Störung. Wer immer etwas dagegen hätte haben können, war ohnehin nicht dabei.

Der Kurzkommentar eines Oppositionspolitikers, „Beispiellose Geschmacklosigkeit!", wurde vom Regierungschef abgeschmettert: „Derart lächerliche Kleinlichkeiten können wir uns nicht leisten, wenn es um die Arbeitsplätze geht! Wenn die Palästinenser auch keinen Staat haben, so sind sie doch ein gewaltiger Markt, den noch niemand entdeckt hat, Habasch ist der Schlüssel zu diesem Markt, und die Amerikaner sind uns ganz einfach neidig!"

Der Außenminister aber eilte nach Amerika und erklärte in einer improvisierten Pressekonferenz, Habasch gelte zwar als der radikalste Palästinenserführer und als Organisator unzähliger blutiger Terrorakte, doch es gebe dafür keinen echten Beweis, man dürfte auch gerade einem Mann wie ihm nicht die Umkehr verbauen und außerdem sei er früher Kinderarzt gewesen, was auf eine im Prinzip humane Grundeinstellung schließen lasse.

Habasch war rücksichtsvoll und brüstete sich in Wien keiner Terrortaten. Nach seiner Abreise fand im Fernsehen ein „Club 2" statt.

Jemand sagte: „In Zeiten wie diesen würde man wohl auch Hitler einladen!"

Jemand anderer sagte: „Das kann man nicht vergleichen. Hitler ist tot!"

Ein Dritter sagte: „Wirklich? Na, Gott sei Dank!quot;

Nach Habaschs Abreise wurde sein Vorschlag bekannt, die Burnusse mit Wüstensand zu bezahlen. Der Regierungschef sagte: „Wir müssen das prüfen! Es ist ja möglich, daß unsere Bauwirtschaft so feinen Sand gut brauchen kann!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung