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Digital In Arbeit

Schäfchen im Computer

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Die Erzdiözese Wien nimmt nun ein Computersystem in ihren Pfarren in Betrieb. Noch liegt die Software im Clinch mit dem Datenschutz.

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Die Erzdiözese Wien nimmt nun ein Computersystem in ihren Pfarren in Betrieb. Noch liegt die Software im Clinch mit dem Datenschutz.

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Manche Pfafrer klagen darüber, daß sie mehr Zeit für die Buchhal- tung ihrer Pfarre aufwenden müs- sen, als für die seelsorgliche Arbeit überbleibt. Doch sie sollen entla- stet werden: Die Erzdiözese Wien stellt einen Gutteil der Pfarrver- waltung auf EDV um. Wenn Hoch- würden seine Schäfchen also nicht alle persönlich betreuen kann, so hat er sie doch zumindest in seinem Computer gespeichert.

Drei Teams beschäftigten sich seit September 1987 mit dem sogenann- ten „PFAD-Projekt" (Pfarradmi- nistrationssystem). Seit kurzem läuft das System im Echtbetrieb in einzelnen Pfarren der Erzdiözese. Eine Umfrage unter 150 Pfarren und die intensive Diskussion mit Praktikern sollte die Adäquanz der eigens entwickelten Software si- cherstellen. Ein ähnliches System der Diözese Linz wurde den Wiener Ansprüchen nicht gerecht. PFAD beinhaltet nun drei große Aufga- benbereiche, andere - wie die Fried- hof- oder Kindergartenverwaltung - mußten aus Kostengründen wie- der gestrichen werden.

Zum einen soll die Buchhaltung der Pfarren vereinfacht werden. Erste Reaktionen der Anwender fielen äußerst positiv aus: Die Zeit- ersparnis rechtfertige alle Schwie- rigkeiten bei der Umstellung. Zum zweiten sollen mit einem leistungs- fähigen Textverarbeitungssystem (WordPerfect 5.0) alle schriftlichen Arbeiten auf ein modernes Niveau gehoben werden. Zum dritten soll eine „Pastorale Personenverwal- tung" die Matrikenführung (Tauf-, Heirats-, Sterbedaten) und die seel- sorgliche Arbeit des Pfarrers er- leichtern. Und hier sehen manche George Orwells Überwachungs- staat heraufdämmern.

Rund 100 Pfarren (von 650) in der Erzdiözese arbeiten bereits mit der EDV-Buchhaltung und der Text- verarbeitung. Die umstrittene Per- sonenverwaltung wird zur Zeit erprobt. Eine kircheninterne Da- tenschutzkommission hatte zuvor genaue Richtlinien herausgegeben, welche Daten von PFAD verwaltet werden dürfen.

Und bereits hier weiß das eine Chip nicht, was das andere tut: Trotz gegenteiliger Weisungen existieren im gegenwärtigen System soge- nannte „Notizfelder". Das sind Be- reiche, in denen die Anwender zu- sätzlich zu den genau definierten Daten (wie Alter, Adresse, Ge- schlecht, ...) auch ganz beliebige In- formationen speichern können. Dies entspricht - so die Firma Securdata, die die Software entwickelt hat - einem dringenden Wunsch der Pfarren. Aber nicht den Vorgaben.

Walter Hagel, Datenschutzbe- auftragter der Bischofskonferenz, fiel fast vom Sessel, als er von der Existenz dieser Möglichkeit erfuhr: „Frei belegbare Felder sind unmög- lich, völlig unmöglich. Nach mei- nen Vorgaben dürfte es keine freien Notizen geben." Aber, gibt er zu, er habe das System nach seiner In- stallierung noch nicht gesehen.

Tatsächlich könnte der Pfarrer zu jeder seiner gespeicherten Per- sonen beliebige Angaben über be- sondere Eigenschaften oder Kenn- zeichen machen. Er könnte auch frei wählbare Kennbuchstaben vergeben. Zusätzlich zu Herrn Huber-Meiers Geburtsdaten stün- de also zum Beispiel „Sektenmit- glied" als Kennmerkmal. Aber auch der Buchstabe „X", dessen Bedeu- tung nur der Pfarrer kennt. Hans Jürgen Pollirer, Geschäftsführer der Firma Securdata, ist zugleich Da- tenschutzbeauftragter der Erzdiö- zese Wien. Er müßte doch die Vor- gaben an seine Firma weiterleiten können? „Diese Datenfelder sind noch in Diskussion, das stimmt, aber jetzt rechne ich damit", erklärte er auf Anfrage, „daß sie rausfliegen".

Alle Datenarten, die PFAD ver- wendet, müssen beim Österreichi- schen Datenschutzregister gemel- det sein. Hier kann jeder Auskunft erhalten, welche Daten von wel- chen Personen in welcher Firma oder Vereinigung verarbeitet und eventuell weitergegeben werden. Unter der Registernummer der Katholischen Kirche allerdings fehlt eine Reihe von Daten, die in der j etzigen Version des PFAD - die Garantiezeit der Firma Securdata für ihre Software läuft noch bis Juni - noch erhoben werden.

Pollirer: „Es gab .eine Registrie- rung der Daten im Register im Spätherbst 86, aber es gibt auch laufend Nachregistrierungen, viel- leicht sind wir in einem Vierteljahr noch gescheiter und nehmen wei- tere Datenfelder aus dem System." Laut Datenschutzregister gab es bis jetzt allerdings eine einzige Nach- registrierung, und die war am 11. Juni 1986. Seither hat sich an den mangelhaft registrierten Daten nichts geändert.

Ein weiterer Streitpunkt der Pastoralen Personenverwaltung ist der Personenkreis, von dem Infor- mationen gespeichert werden dür- fen. Zur Zeit sind im Register auch Nicht-Katholiken vorgesehen. Ein rechtlicher Streitfall, denn an und für sich dürfen nur solche Personen gespeichert werden, die dem anwe- senden Unternehmen (die Katholi- sche Kirche) „immanent sind" (Hagel). Nicht-Katholiken fallen nur dann darunter, so seine Ausle- gung, „wenn ein rechtlicher Kon- nex besteht", also wenn ein Katho- lik mit einem Andersgläubigen verheiratet ist, wenn ein Nicht- Katholik in einem katholischen Krankenhaus liegt, und so weiter.

Noch viel komplizierter wird es, wenn - was vorläufig nur geplant ist - ein Datenaustausch zwischen den Pfarren und der zentralen Datei der Erzdiözese stattfindet - an und für sich ein Zielpunkt des PFAD- Projektes, vor allem, um die Hand- habung der Kirchenbeitragsange- legenheiten möglich zu machen und auf eigene Füße zu stellen. (Denn bis jetzt erhielten die Kirchenbei- tragsstellen ihre Informationen über Personendaten aus den staat- lichen Haushaltslisten.)

Dann muß geklärt werden, ob und wann welche Daten von der Pfarre in die Zentrale und umgekehrt weitergegeben werden können und dürfen. Auch wenn Datenschützer Hagel zugibt: „Können und dürfen werden auch in Zukunft immer auseinanderfallen. Aber wir sind bemüht, bereits die Möglichkeiten zu Mißbräuchen von vornherein auszuschließen."

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