6900267-1980_24_15.jpg
Digital In Arbeit

Schaffen -rund um die Uhr?

Werbung
Werbung
Werbung

„Wie gestalten Sie Ihre Arbeitspausen?” fragte das Wirtschaftsmagazin „trend” Top-Manager, Funktionäre und Freiberufler. Nach der Lektüre der Antworten muß man sich unwillkürlich Tür einen faulen Hund halten.

Fast unisono kommt zunächst die Gegenfrage „Arbeitspause, was ist das?” Ein Vorstandsdirektor einer großen Bank arbeitet täglich von 8 bis 20 Uhr und „selbstverständlich auch an Wochenenden”. Ähnlich der Generaldirektor einer renommierten und erfolgreichen Maschinenfabrik: Er kennt keine Arbeitspausen, arbeitet täglich elf bis zwölf Stunden, und, da die Arbeit auch sein Hobby ist, auch an Wochenenden („soviel es eben geht”).

Die Antwort eines Spitzenpolitikers schließlich deckt sich nahtlos mit jener der Top-Manager: „Welche Arbeitspausen? Ich mache keine Pause. Wozu brauche ich das? Bei mir gibt es sowas nicht. Da kommt einer nach dem anderen zu mir, und in den Lücken erledige ich die Post.”

Möglich, daß diejeweilige Position tatsächlich den totalen Einsatz rund um die Uhr und rund um das Jähr erfordert. Möglich auch, daß die Befragten ein bißchen übertreiben, weil sie der Meinung sind, daß es zum Image eines Spitzenmana-gers(politikers) gehört, überlastet zu sein.

Ich Finde beide Deutungen gleich schrecklich: Wenn eine Spitzenposition zwangsläufig mit dem totalen Aufgehen im Beruf und dem Verzicht auf eine Persönlichkeitsentwicklung in anderen Bereichen verbunden ist, dann ist in unserem Wirtschaftssystem tatsächlich ein Wurm.

Denn ich kann mir ganz einfach nicht vorstellen, daß eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eine erfreuliche Entwicklung nimmt, in der jene, die die Entscheidung treffen, keine Zeit zum Lesen, keine Zeit für ein Gespräch und keine Muße zum Nachdenken haben, um herauszufinden, was die Menschen rund um sie bewegt.

Wirtschaft und Politik können auf die Dauer nicht ohne kulturelle und soziologische Bezugspunkte betrieben werden. Sicher nicht ganz zufällig und meiner Meinung auch zu Recht meinte kürzlich Erhard Busek in einem Gespräch, daß die Zukunft dem humanistisch gebildeten Manager gehören wird. Einem der von „trend” Befragten aber würde etwas abgehen, wenn er öfters Belletristik lesen würde, ein anderer schiebt zur Entspannung (!) Fachliteratur ein.

Sollte die zweite Variante -die sachte Übertreibung aus vermeintlichen Imagegründen - zutreffen, finde ich das um nichts erfreulicher. Was ist eine Gesellschaft wert.deren Opinion-Lead-ers es sich nicht leisten können, zuzugeben, ein gutes Buch zu lesen, ins Theater zu gehen oder am Wochenende zu faulenzen?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung