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Scherz, Satire, Blasphemie oder tiefere Bedeutung?

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Seit Wochen erlebe ich es immer wieder: an jener Fernsehsendung erhitzen sich die Gemüter. War die große Babenberger-Show zum Nationalfeiertag blendendes Kabarett oder übelste Blasphemie? Auch heute noch, sieben Wochen nach der Ausstrahlung, gehen die Meinungen diametral auseinander. Um nicht zu sagen: scheiden sich die Geister.

Wien und Niederösterreichs Landespatron, Ziel der Verehrung seit Jahrhunderten - war er letzten Endes nicht mehr als ein kleiner Intrigant, der es sich mit allen zu regeln verstand, um seinen „Rebbach“ zu machen? Aber war die Uberpointierung, die Karikierung mittelalterlicher Atmosphäre, feudaler Denkkategorien, zu denen die Menschen von heute keinerlei Gefühlszugang mehr haben, ihre Reduzierung auf Modelle - deswegen die gleichbleibenden Interpreten durch die Jahrhunderte der Show - war alles das nicht der einzige Weg, Österreichs Geschichte auch breiten, von Geschichtsbewußtsein sonst unberührten Menschenschichten nahezubringen?

Meine Frau, untrüglicher Seismograph jeder Geschmacksverirrung, zuckte zunächst zusammen, als die Karikatur des Heiligen zu boshaft zu werden schien - dann aber meinte sie: „Ich glaube, der Heilige Leopold hätte genug Humor gehabt, um selbst über diese Persiflage seiner selbst zu lachen!“ Und sie zitierte Franz von Sales: Ein trauriger Heiliger wäre ein trauriger Heiliger.

Trotzdem verebbt die Diskussion nicht. Haben jene Verteidiger des Heiligen, die sich in ihm beleidigt fühlen, so gar keinen Humor, daß sie sich an Nebensächlichkeiten stoßen, obwohl gerade durch diese Art der Darbietung Tausenden, ja Hunderttausenden von Menschen vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben eine Ahnung von der historischen Existenz des Heiligen geboten wurde, der doch sonst in Legenden und Märchen verblaßt und verzerrt wird?

Aber gerade daran rankt sich der Protest: wenn wirklich Hunderttausende zum ersten Mal von ihrem Landespatron erfahren sollen - darf man ihn ihnen dann in dieser Verzerrung präsentieren? Nochmals aber: hätten sie ihn in anderer, historisch echter,wissenschaftlich fundierter Fassung überhaupt zur Kenntnis genommen (womöglich mit jener Linkslastigkeit, von der die am Vorabend vorausgegangene Dokumentation in großen Teilen ausgezeichnet war?).

Hier liegt wohl ein wesentlicher Punkt des Streites: Die für historisch interessierte und vorgebildete Intellektuelle vergnügliche Satire konnte, mußte wohl auf Menschen ohne diese Voraussetzungen gänzlich anders, vielleicht wirklich negativ wirken.

Und noch ein“ Verdacht sei nicht verschwiegen, der in diesen Gesprächen laut wurde: Hatte man den überwältigenden Erfolg der Babenbergeraus-stellung nicht vorausgesehen? Kam er jenen in die Quere, für die Österreichs Geschichte erst 1918 beginnt? Für die alles, was davor liegt, finsterstes Mittelalter, bitterster Feudalismus ist, nicht wert, anders als mit Abscheu erwähnt zu werden - ob es sich um die Babenberger oder die Habsburger handelt? Und nun strömten 450.000 Menschen nach Lilienfeld, sahen die Dokumente jener zwölf Herrscher -und sie erlebten plötzlich, wie die Geschichte Gestalt annahm, eine Geschichte über 1000 Jahre. Sollte da vielleicht doch mit einer bitteren Parodie ein Riegel vorgeschoben werden, daß dieses einmalige Erlebnis allzutiefe Wurzeln schlagen könnte?

Ich glaube nicht an diese Absicht. Aber in wenigen Jahren gibt es die Möglichkeit zum Test: 1282 erfolgte die Belehnung der Habsburger mit Österreich und der Steiermark. 700 Jahre Rückblick wären auch ein Anlaß, Geschichte lebendig werden zu lassen (und - hoffentlich - unbegründete Verdachte zu entkräften).

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