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Schrecken und Ängste aus dem Moor

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Der Reigen der Gedenkausstellungen zum 100. Geburtstag Alfred Ku- bins hat seinen Höhepunkt erreicht: Die Wiener Albertina eröffnete nun ihre Kubin-Schau, die einige der bedeutendsten Frühwerke präsentiert. Eine Kollektion von ungewöhnlicher Qualität, die vom Wiener Albertina- Chef Dr. Walter Koschatzky gemeinsam mit der Kunsthalle Baden-Baden gestaltet wurde: 85 Werke, die vor 1904 entstanden sind. Ein Resümee der ersten Visionen Kubins, die von seiner ungewöhnlichen Phantasie und Gestaltungskraft, aber auch von seinen schweren psychischen Belastungen zeugen. (Absurde Querelen verhindern die Auflage des für Baden-Baden und Wien erarbeiteten, großartigen Kataloges auch in Wien.)

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Der Reigen der Gedenkausstellungen zum 100. Geburtstag Alfred Ku- bins hat seinen Höhepunkt erreicht: Die Wiener Albertina eröffnete nun ihre Kubin-Schau, die einige der bedeutendsten Frühwerke präsentiert. Eine Kollektion von ungewöhnlicher Qualität, die vom Wiener Albertina- Chef Dr. Walter Koschatzky gemeinsam mit der Kunsthalle Baden-Baden gestaltet wurde: 85 Werke, die vor 1904 entstanden sind. Ein Resümee der ersten Visionen Kubins, die von seiner ungewöhnlichen Phantasie und Gestaltungskraft, aber auch von seinen schweren psychischen Belastungen zeugen. (Absurde Querelen verhindern die Auflage des für Baden-Baden und Wien erarbeiteten, großartigen Kataloges auch in Wien.)

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Kubin, damals bereits ein schwieriger Eigenbrötler, hat in diesen Jahren viel im Zeller Moor gezeichnet Auffliegende Vögel, verrottete Stämme, drohende Augen, die überall aus dem Dunkel glühen, haben ihn inspiriert. Ein düsteres Theater Opfernder und Geopferter, Verendender, abstruser Geschöpfe. Kubin verliert sich in seinen Träumereien, er leidet unter Depressionen und psychischen Erschütterungen. Ein Selbstmordversuch steht am Ende dieser Phase, die sich erst durch eine Jugendliebe etwas aufhellt

Es ist ein Prozeß des ständigen Verdichtens, wenn Kubin mit Feder, Pinsel, Spritzgerät seinen Traumgestalten zu Leibe rückt, wenn er seine Gespenster und Alpträume auf ihre uralten mythologischen Zusammenhänge prüft Wenn er seine Motive aus Wirklichkeit und Traum in imaginären Räumen ansiedelt wenn er für seltsame Krankheiten und bizarre Unfälle, für schreckenerregende Epidemien immer neue Symbole findet, wenn er die Rätsel von Geburt und Tod mit immer neuen Metaphern darzustellen versucht.

Es sind immer und immer wieder Büder des Schreckens, des Selbstmords, Angstschreie. Und diese Blätter, die besten aus der Albertina selbst, viele erlesene aus dem Besitz deutscher Sammler wie des Prinzen von Bayern, Morats, Graf Faber-Castells, fügen sich zusammen zu einer Landschaft der Beklemmungen: einer Seelenlandschaft Alfred Kubins, der sich mit diesen Arbeiten neurotische Zwänge von der Seele zu zeichnen versuchte.#

Josef Bramer, 29, einer der eigenwilligsten Schüler des Wiener Phantastenprofessors Rudolf Hausner, stellt nach längerer Pause wieder aus (Galerie Zentrum, Haarhof 1). Ein penibler Künstler, der mit feinen Lasuren, altr meisterlicher Farbenzucht und -Symbolik seine kleinen und großen Tableaus gestaltet. Naturalismus hat man seinen Büdern oft nachgesagt. Aber wer diese Bilder genauer betrachtet, merkt, daß davon keine Spur zu finden ist. Im Gegenteil. Was auf den ersten Blick so der Natur nachempfunden scheint, stellt sich als im höchsten Maß künstlerisch heraus.

Dieses „Als ob” ist aber gerade ein Charakteristikum Bramers. Denn seine Kasparfigur, seine Wiesen und Wälder, die er mit erstaunlicher Beharrlichkeit immer wieder malt, sind nur Vorwände, mit dem Erscheinungsbild unserer Welt fertig zu werden.

Daß es Bramer tatsächlich um ganz andere Probleme geht, als Wirklichkeit abzumalen, zeigen besonders die letzten Arbeiten: streng geometri- sierte Flächenteilungen, die in ihrer Farben- und Proportionsproblemstellung sich mit Caspar David Friedrich, mit Mondrian, mit der Kunsttheorie der Manieristen auseinandersetzen. Und da kann man gespannt sein, wie gründlich sich Bramer wohl in den kommenden Jahren wandeln wird. Denn daß er mit seinen „schönen Bäumen”, diesen Symbolbildern für künstliche Welt, mit seinen „schönen Familienbüdern”, diesen Metaphern für Sehnsucht nach der geordneten Welt, und seinen in sich ruhenden Stilleben an ein Ende gekommen ist, bestätigt er sogar selbst. Mit ein paar Arbeiten dieser Ausstellung, die alle, die Bramer schätzen, sehen sollten. Wird es ein Abschied vom Porträtisten der „schönen alten Welt”?

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