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Schutz für die Scheunen

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Der 2. Internationale Kongreß für Altstadt und Baukultur in Graz ist zu Ende — die Arbeit geht mit neuen Impulsen und wohlüberlegten Strategien weiter. Eine Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch die vier Tage: die Stadtkerne sind kaum noch bedroht, für historische Vororte, Dörfer und Industriedenkmäler aber herrscht in weiten Teilen Europas immer noch Alarmstufe 1.

Bedeutsam am Grazer Kongreß war auch die Tatsache, daß es dem Internationalen Städteforum gelungen ist, Vertreter aus Ost und West, Nord und Süd an einem „neutralen Tisch" zu vereinen. Bei den Referenten zeigte sich sogar, daß fast die Hälfte aus östlichen Ländern kam, was sie mit Wort und Farbbild präsentierten, beweist, daß auch in diesen Nachbarstaaten ein Aufbruch zu Sanierung und Restaurierung im Gange ist.

Ein wesentlicher Unterschied zu westlichen Ländern liegt allerdings darin, daß im Osten vorerst sehr wertvolle Baudenkmäler wiederhergestellt oder verschönert werden (auch viele Kirchen), während man sich in Nord-, West- und Südeuropa schon verstärkt der durchgreifenden Sanierung ganzer Häuserblocks zuwenden kann. Besser Wohnen in alten Mauern ist allerdings auch das erklärte Ziel der Referenten aus Ostberlin, Warschau, Krakau, Prag, Budapest, Fünfkirchen, Marburg oder Laibach.

Ganz klar stellte sich heraus, daß neue Wege für die Erhaltung und Entwicklung des ländlichen Bauerbes zu gehen sind. Während die historischen Zentren durch Altstadtgesetze oder eigene Satzungen geschützt sind, werden in allen Ländern unseres Kontinents nach wie vor Scheunen und Mühlen, Gerbereien und andere Handwerksbetriebe, Wasserräder und Kellerstöckel abgebrochen.

Jährlich verschwinden auch tausende Kleindenkmäler, die verstreut in den Fluren stehen.

Zwei Lichtblicke dazu: im Großherzogtum Luxemburg exerziert der dortige Staatskonservator und Animator George Cal-teux in überzeugender Weise vor, wie man gute alte Bauten mit neuen Funktionen versieht und durch Sanierung eine Menge Geld erspart. Das Zauberwort heißt „Umnutzung". Wo es möglich ist, schafft Calteux in aufgelassenen Mühlen usw. Feuerwehrdepots, Vereinslokale, Kunsthandwerkstuben und moderne Treffs wie z. B. Kaffeehäuser.

In der Steiermark hingegen hat das Ortsbildjahr 1981 eine einschlägige Trendwende herbeigeführt, Dorf Sanierung ist Trumpf!

Eine wichtige Weichenstellung ist durch den Grazer Kongreß für die Bewahrung und Nutzung von Industriedenkmälern, speziell des 19. Jahrhunderts, gelungen. Aus Großbritannien kam ein führender Mann des Ironbridge Museums, David de Haan, der im Anschluß an den Kongreß auch die „Steirische Eisenstraße" sowie die Landesausstellung in Eisenerz aufsuchte. Wenn alles klappt, wird die Schau „Erz und Eisen in der Grünen Mark" in ihren wesentlichen Teilen schon bald in London und dann in Ironbridge präsentiert.

Starken Beifall erntete auch der Wiener Universitätsprofessor Manfred Wehdorn, der vor über 300 Delegierten aus 20 Ländern Europas die Bedeutung der Industriedenkmäler für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herausarbeitete. Sein mitreißendes Wollen untermauerte er mit entsprechenden Lichtbildern. „Ironbridge ist wie ein Virus, der fast jeden befällt, und wer sich einmal angesteckt hat, kommt nicht mehr davon los", hatte de Haan formuliert. Dazu muß man wissen, daß dieses ausgedehnte englische Industriemuseum jährlich 1,5 Millionen Besucher zählt.

Kurzbilanz des Kongresses: die Wege sind deutlich geworden, man braucht sie nur zu beschreiten.

Der Autor, Redakteur der „Kleinen Zeitung" Graz, ist Vizepräsident des Internationalen Städteforums Graz, das den Kongreß veranstaltete.

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