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Sie ist nur unser Gast...

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Dies ist, zunächst, ein Bildband mit vielen, vielen Färb- und Schwarzweiß-Aufnahmen von Katzen: kleinen und großen, ruhenden, jagenden und spielenden. Nicht der erste, der uns vor Augen gekommen ist, aber ganz entschieden unsere Meinung bestätigend, daß griechische Tempelsäulen, schöne Frauen und Katzen das Photogenste sind, das es gibt.

Bei diesem Tier, das bereits 2000 Jahre vor Christus in ägyptischen Inschriften erwähnt und als Göttin dargestellt wird, scheiden sich die Geister. Grob gesagt: es gibt Katzen- und Hundemenschen, und es bedarf wohl kaum der Versicherung, daß der Rezensent (sonst hätte er sich nicht dieses Buches angenommen) zu den ersteren gehört — und also sehr parteiisch ist. Der feuchte Blick des Hundes, um beim Augenfällig-Primitivsten zu beginnen, bewegt, rührt, bindet. Der Hund ist stets der treue Diener eines Herrn, und es gibt herzbewegende Geschichten darüber. Das Auge der Katze, aschgrau, grün, blau oder bernsteinfarben, spiegelt ihren elektrisch geladenen Körper, fasziniert, beunruhigt, überrascht.

Was ihr Äußeres betrifft, so hat ihr aristokratischer Charakter sie vor Mesalliancen bewahrt: Keinerlei Kreuzungen mit Katzen sind bisher' geglückt (die Unterschiede innerhalb der verschiedenen Katzen-Spielarten sind sehr gering), während es dem Menschen gelungen ist, duftlose Rosen, zitternde Pinscher, riesige Doggen zu züchten, die er dann neben die gleichfalls von ihm erfundenen Gartenzwerge setzen kann. Solchen Züchtungsversuchen erteilte die Katze eine stille und kühle Absage.

Sie ist unser Gast — aber nicht um den Preis ihrer individuellen Freiheit. Sie hat ihre Launen, ist nervös, empfindlich und reizbar. Gönnerhaftes Wohlwollen, wie etwa ein zerstreutes Streicheln, weist sie zurück: sie will alles oder nichts. Vor allem unsere ungetqjlte Aufmerksamkeit. Ein philosophisches Tier ist die Katze insofern, als sie alles, was sie tut, vorher genau überlegt.

Wie kam es überhaupt dazu, daß sie sich beim Menschen als Gast niederließ? Sie mag Milch über alles, und da sie selbst nicht melken kann, hat sie herausgefunden, wer sie ihr verschaffen kann. Und eine warme Stube im Winter, unter dem die schöne Orientalin leidet. „Sacro egoismo“? Ohne Zweifel. Aber mit

wieviel Anmut wird er wettgemacht ...

Sie ist von Natur vorsichtig und leise. Daher muß, aus der Katzenperspektive, vieles, was die Durchschnittsmenschen treiben, unverständlich, aufdringlich und lästig erscheinen. Da sie jede Art von Lärm haßt, ist sie die Freundin still arbeitender Künstler: der Maler, der Dichter und der über ihre Partituren gebeugten Musiker. Und diese Liebe wird erwidert. Torquato Tasso und

Montaigne stellten sich schützend zwischen sie und ihre Verleumder, Richelieu machte sie „hoffähig“, indem er sie auf seinem Tisch über wichtige Staatspapiere spazieren ließ und ihr zum Spielen und Nisten die Perücken der Mitglieder der Aca-demie Francaise anbot. Voltaire, Rousseau und Fontenelle waren mit Katzen befreundet, und auf St. Helena leisteten mehrere Katzen Napoleon Gesellschaft. Chateaubriand be-

gleiteten mehrere Katzen auf seinem wechselvollen Lebensweg. Das war so bekannt, daß Papst Leo XIII., als er sein Ende nahen fühlte, seinen Mincetto dem großen Schriftsteller anvertraute.

Das geht bis in unsere Tage. Dabei ist es auffallend, wie sehr sich gerade einige der „männlichsten“ Schriftsteller — was durch zahlreiche Photographien zu belegen ist — als Katzenfreunde deklarierten: Ernst Jünger und Gottfried Benn, Hermann Hesse, Hans Carossa und Andre Malraux. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Nur Thomas Mann war ein Hundefreund. Unerklärlicherweise.

Oft war die Katze Gegenstand poetischer Huldigungen. Die schönsten stammen von T. S. Eliot, Carossa und Baudelaire. Der letztere hat ihr unsterbliche Verse gewidmet. Natürlich gehörten auch Meri-mee und Mallarme sowie Cocteau zu ihren Verehrern. Berühmte Katzenbilder gibt es von Bonnard, Beardsley, Manet, Kirchner, Klee, Kubin, Picasso und Schmidt-Rottluff. Die Katzengeschichten sind nicht zu zählen. Eine Auswahl klassischer und zeitgenössischer finden wir in dem großen Katzenbuch des Diogenes-Verlages (Zürich). Um nur einige Autoren-Namen zu nennen: Goethe, Keller, Grimm, Mark Twain, Zola, Poe, Maupassant, Kipling, Capek, James Joyce und Hemingway bis herauf zu Polgar und Tucholsky, Andersen, Rosendorfer und Walser.

„Katzen regieren die Welt, ohne dies je zu verraten“, hat ein Kenner und Liebhaber dieser geheimnisvollen Tiere gesagt. Aber das ist ein Wort, das nur Katzomanen verstehen und billigen werden ...

KATZEN LIEBEN UND VERSTEHEN. Text von Pola Weiss nach A. E. Brehm. Herbig Verlagsbuchhandlung, München-Berlin (Edition Minerva, Geneve), 125 S.

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