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Digital In Arbeit

Gehören Sic einer Katse?

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Ich meine wirklich: Sind Sie das Eigentum einer Katze? — Nicht etwa: Besitzen Sie eine Katze? — Katzen besitzt man nicht! Man gehört Katzen, mit Haut und Haar — oder man hat eben eine Katze im Haus!

Unser Haushalt wird von zwei Katzen beherrscht: einem richtigen schwarzen Kater und einem etwas kleineren braunweiß gesprenkelten Tigerkater. Um unser Los ein wenig zu erleichtern, haben meine Frau und ich jeweils eine der beiden Katzen zum Herrn im engeren Sinne erwählt —, so daß wir immer abwechselnd, wenn irgend etwas passiert (etwa wenn Mucki, so heißt der Tiger, ein Stück Ente vom Kochherd geholt hat!) sagen können: „Nja, deine Katze! Meine würde das nie tun!“

Wuuzi, so heißt mein Schwarzer (eigentlich Rawuzel, das soll auf Österreichisch „Schwarzer Teufel“ heißen!), ist älter, würdiger, weiser als der Gebieter meiner Frau — wie sich das ja schließlich auch gehört. Von Mucki ließe ich mir nicht so viel gefallen. Da würde ich eher meine Stellung als Katzenerhalter kündigen. Aber meine Frau läßt sich alles gefallen und bewundert ihren Tyrannen noch dazu mit großen runden Augen: „Ist er nicht süß?“ fragt sie, wenn er gerade etwas angestellt hat. Dabei kann Mucki nicht einmal richtig schnurren. Meine Frau behauptet zwar, er schnurre ganz leise, wenn er sich um ihren Hals herumgeringelt hat, sowie sie sich auf der Couch ausstreckt. Aber das ist eine reine Erfindung. Wuuzi schnurrt wie ein Maschinengewehr (schnurren Maschinengewehre?), zuerst wenn er mich morgens gegen sieben Uhr aufweckt, indem er mich ins Ohr beißt; er schnurrt, wenn er reglos (es bettelt nur der andere Kater, der meiner Frau gehört!) auf dem Küchentisch sitzend, aufmerksam dem Frühstück zuschaut —, er schnurrt, wenn er mir beim Telephonieren zuhört... Ich bin nicht wenig stolz, daß er mit meinen Diensten im großen und ganzen zufrieden zu sein scheint.

Aber wir tun auch unser Bestes, um unseren Herrschaften getreue Diener zu sein. Sowie aus dem Badezimmer das Geräusch ertönt, das sich anhört, als ob man eine Kiesgrube angräbt, das in Wirklichkeit nur mitteilt, daß einer der Herren Kater seinen Verdauungsprozeß beendet hat und die Spuren vergraben will, stürzen wir hinzu und säubern die Kistchen.

V/as das Essen anbelangt, so haben wir es bei der jetzigen Herrschaft etwas einfacher, als bei der vorigen. Als Wuuzi noch mit der inzwischen unter dem Operationsmesser eines Tierarztes gestorbenen Pummel zusammenlebte, mußte stets getrennt serviert werden: Pummel fraß nur Lunge, Wuuzi nur gekochtes Schabefleisch. Die Lunge mußte natürlich auch gekocht sein. Mucki hat sich jetzt bereitgefunden, gleichfalls Schabefleisch zu fressen, was etwas Abwäsche an Kochtöpfen spart.

Daß Katzen von Milch und Mäusen leben, muß eine Legende sein: Mucki hat seit Jahren keinen Tropfen Milch angerührt, nippt nur manchmal an einem Wassernäpfchen, während Wuuzi, mein echtes Vorbild, sich weigert, die geringste Nahrung zu sich zu nehmen, bevor er seinen Cocktail zu sich genommen hat — der Säufer!

Manchmal vergessen wir, zum Wochenende Schabefleisch einzukaufen. Wenn wir dann etwa Konservenfische als Ersatz vorschlagen, schönste Sardinen zum Beispiel, geruhen die Herrschaften gelegentlich nach einem oder zwei Tage Protestfasten und mit einer Miene äußersten Martyriums davon etwas zu sich zu nehmen. Wuuzi hält eisern an seiner Diät fest; Mucki frißt u. a. auch Hühnerknochen, leckt Eierschalen aus; Spaß macht ihm das aber eigentlich auch nur, wenn es sich um gestohlenes Gut handelt. Dafür nagt Wuuzi ständig an meinem Farn herum. Hinterher muß er — speien. Wir räumen das aber gerne weg. Wir lieben unsere Herrschaften.

Manchmal stehen wir allerdings kurz vor dem Aufkündigen unserer Dienste, zumindest für einige Minuten. So, wenn die Herren Kater, die beide — besonders Wuuzi — eine perverse Vorliebe für Blumen haben und so lange ihre Nasen gegen eine gerade neu aufgestellte Blumenpracht gepreßt haben, bis sich ein breiter Wasserstrom über Tisch, Teppich und Fußboden ergießt, mit den unschuldigsten Blicken der Welt interessiert dem Wasserlauf folgen; oder wenn einer von ihnen die — völlig vergriffenen — Jahrgänge irgendeiner Zeitschrift im untersten Bücherregal mit seinen scharfen Klauen in kleine Stücke zu zerreißen beginnt bzw. wenn ich, um mir nicht das Bein zu brechen, zum siebenten Mal den in Wellenform sich jäh emporsteilenden Teppich — die Herren Kater haben für eine gute Stunde „Lützows wilde verwegene Jagd“ quer durch drei Räume gespielt — geraderücken muß ...

Aber dann gehen sie schlafen und liegen da, zusammengeringelt wie die Englein — nur Wuuzi schnarcht deutlich; Mucki träumt lebhaft und fiept manchmal im Traum — und wir armen geplagten Dienstboten der Katerei sagen uns: Versuchen wir es doch noch mal... !

Wenn sich das hundertmal wiederholt hat, glauben wir selbst nicht mehr, daß wir jemals dem System der Zwangsarbeit für unsere Haustyrannen entrinnen werden.

Seit einiger Zeit haben die Kater übrigens einen Trick entwickelt, um aus dem Wirtschaftsgeld doppelt serviert zu werden. Meine Frau, die vor mir das Haus verläßt, gibt ihnen regelmäßig ihr Essen. Immer häufiger finde ich, wenn ich etwa eine Stunde später in die Küche komme, beide Katzen indigniert miauend neben den leeren Futternäpfen. Unter dem Eindruck, meine Frau habe vergessen, sie zu füttern, fülle ich die Näpfe. Wenn ich im Laufe des Tages mit meiner Frau telephoniere, teile ich ihr das mit leichtem Vorwurf mit. Die Antwort war wiederholt: „Sie haben dich beschwindelt! Ich habe ihnen was gegeben! Diese Raben!“ (Weiß Gott, weshalb meine Frau die Bezeichnung „Raben“ ;ls ein Schimpfwort für Katzen auffaßt!?)

Aber manchmal sind wir auch stolz auf unsere Herrschaften. — Wir haben die Erlaubnis, gelegentlich andere Zweibeiner einzuladen. Die Kater (die meine Frau zum Beispiel stets an der Wohnungstür erwarten) geruhen dabei, ziemlich nonchalant zu erscheinen: Wuuzi insbesondere geht ein- oder zweimal im Kreise der Gäste herum, begrüßt ein wenig ausführlicher — selbstverständlich — die Damen (wie sollte ein Kater anders reagieren?) und begibt sich dann in seine Pappschachtelhöhle in der Küche zurück. Mucki ist weniger vornehm: er will beachtet werden. Er geht zu jedem, der auch nur ein freundliches Gesicht macht, auf den Schoß, für kurze Zeit. Dann sucht er neue Abenteuer. Aber er läßt sich auch herbei, sich zu produzieren (ich vergaß zu erwähnen, daß beide Kater von Beruf Schauspieler sind, die sich mit einer Rente zur Ruhe gesetzt haben, aber gelegentlich gern „auftreten“). Mucki kann apportieren wie ein Hund. Meine Frau ist sehr stolz darauf. — Stundenlang, wenn das jemand aushielte, würde der Tiger eine Kugel, einen Papierball, einen Knäuel Zigarettenpapier (er bevorzugt eine ganz bestimmte Marke, die ich hier nicht erwähne, weil ich ja dafür nicht bezahlt werde!), den man so weit wie möglich ins nächste Zimmer wirft, zurückbringen und wie ein Häschen auf zwei Beinen sitzend, warten, daß man das Spiel wiederholt, wiederholt, wiederholt.. . Irgendwann lassen wir ihn wissen, daß er unseren Gästen damit auf die Nerven fällt. Dann stoppt er, putzt sich und legt sich schlafen. — Im allgemeinen sind unsere Herrschaften recht tolerant gegenüber den „Parties“ ihrer Dienstboten. Aber einmal, als gegen vier Uhr morgens noch Leute herumsaßen, diskutierten, sangen und sogar eine Laute malträtierten, erschienen plötzlich beide Kater im Gleichschritt, laut miauend durch drei Räume demonstrierend, um uns klar zu machen: Was zuviel ist, ist zuviel! Unsere Gäste starrten auf die Demonstranten, wurden schweigsam und hatten in zehn Minuten das Haus verlassen. Seitdem wagen wir nur selten, Gäste zu bitten, länger als bis ein Uhr zu bleiben.

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