Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Statt Kirchen — Müllverbrennungsanlagen
Bedrohliche Ausmaße hat die Verschandelung des Wiener Stadtbildes in den letzten Jahren angenommen. Der „moderne Städtebau“ scheint sich nicht mehr daran zu orientieren, was das Auge des Städters erfreut. Statt mit baukünstlerischen Lichtblicken im grauen Großstadtalltag sollen Einwohner und Besucher offenbar mit den funktionellen Einrichtungen des „neuen Wien“ konfrontiert werden, das nicht sein sympathisches Antlitz, sondern seine mehr als unzulänglichen Eingeweide zum Fetisch seiner „Städtebaukunst“ erhoben hat. Man gibt mitten in der Stadt den Blick auf Müllverbrennungsanlagen und Gasometer frei, statt sie — wie in anderen Städten — unter die Erde oder in „versteckte“ Industriegebiete zu verbannen.
Bedrohliche Ausmaße hat die Verschandelung des Wiener Stadtbildes in den letzten Jahren angenommen. Der „moderne Städtebau“ scheint sich nicht mehr daran zu orientieren, was das Auge des Städters erfreut. Statt mit baukünstlerischen Lichtblicken im grauen Großstadtalltag sollen Einwohner und Besucher offenbar mit den funktionellen Einrichtungen des „neuen Wien“ konfrontiert werden, das nicht sein sympathisches Antlitz, sondern seine mehr als unzulänglichen Eingeweide zum Fetisch seiner „Städtebaukunst“ erhoben hat. Man gibt mitten in der Stadt den Blick auf Müllverbrennungsanlagen und Gasometer frei, statt sie — wie in anderen Städten — unter die Erde oder in „versteckte“ Industriegebiete zu verbannen.
Die Ziele städtebaulicher Blickachsen haben sich gewandelt. Während man früher angenehme Eindrücke zu unterstreichen suchte, wird heute das Auge durch letztklassige Gemeindearchitektur beleidigt. Das ist der Unterschied:
• Johnstraße und Schloßallee geben schon von weitem die Aussicht auf das Schloß Schönbrunn und die Gloriette frei.
• Hingegen hat man in die Fortsetzung der Florian-Hedorfer-Straße, die Hauptstraße einer neuen Gemeindesiedlung in Simmering, den Block VI des E-Werkes Simmering „hingeknallt“.
• Wer vom Nordosten Wiens über die Reichsbrücke kommt, sieht greifbar nahe vor sich das Wahrzeichen Wiens, den Stephansdom.
• In die Blickachse der Wallenstein- straße und der als Fortsetzung geplanten „Traisenbrücke“ über die Donau aber setzte man vorsorglich den Donauturm, eine sinnlose Gigantomanie ohne jede Funktion am tiefsten Punkt der Stadt.
• Und weil bekanntlich alle Wege nach Rom führen, hat man Müllverbrennungsanlage und Fernwärmewerk Spittelau just an jenem Punkt am Donaukanal errichtet, der einem nun abstoßend ins Auge springt, egal, ob man aus einer von drei Richtungen der Windrose gefahren kommt oder am Kanalufer promeniert.
Wir haben diese Bilder dem bedeutendsten österreichischen Städtebauexperten vorgelegt, dem Professor der Meisterschule an der Wiener Akademie der bildenden Künste, Architekt Dr. Roland Rainer. Hier sein Kommenatar:
„Ich selbst kenne viele Industriebauten, die als Pionierleistungen moderner Architektur die weitere Entwicklung entscheidend und positiv beeinflußt haben. Freilich — von den neuen Bauten, die hier gezeigt werden, kann man dies gewiß nicht behaupten, ebensowenig wie leider von der gesamten Wiener Architektur der letzten Jahrzehnte. Überhaupt sind heute schon alle Erörterungen über ästhetische Fragen im Bereich des Städtebaues fast sinnlos geworden, da es ja gar nicht mehr um die Erhaltung der Erscheinung geht, sondern schon die Erhaltung der gesamten Lebensgrundlage in Frage gestellt ist.
In meiner Meisterschule ist derzeit die Arbeit eines Absolventen, des Herrn Architekten Posch, ausgestellt, in der gezeigt wird, wie zum Beispiel im dritten Bezirk die Substanz an Grün und historischem Stadtbild, die diesem Bezirk seinen Charakter und seine Qualität gegeben hat, radikal zerstört wird, ohne daß sich irgendjemand dagegen wendet.
Kürzlich habe ich zu Füßen der Kirche Maria am Gestade die bru- talst zerstörten Bäume gesehen, so wie ja in der ganzen Stadt andauernd der Bestand an Kultur und Natur vernichtet wird — das zu einer Zeit, da man in der ganzen Welt erkannt hat, daß die Städte und die Städter nicht mehr weiter existieren können, wenn weiterhin alles dem sogenannten technischen Fortschritt bzw. dem geschäftlichen und spekulativen Gewinn geopfert wird.
Ich glaube, daß die Situation viel zu ernst ist, als daß man sich überhaupt mit Fragen des Stadtbildes befassen kann, sondern daß es um die Grundlagen städtischen Lebens geht. Wenn die Stadt als Ganzes wieder nach vernünftigen Grundsätzen gebaut wird, dann wird von selbst auch das Stadtbild wieder in Ordnung sein.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!