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Traum von der Operette

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Jubel, Trubel, Heiterkeit am vergangenen Samstagabend in der Wiener Volksoper. Das Publikum hat sich fast drei Stunden lang sehr amüsiert an einem Werk, das bereits am 2. März 1907 im Carltheater Premiere hatte, damals gleich an die 500mal gespielt wurde und bei uns für viele Jahre in der Versenkung verschwand. Ein interessanter Mann, dieser Oscar Straus, der weder mit den großen Wiener Walzer-Sträußen noch mit dem Komponisten des „Rosenkavaliers“ verwandt ist. Er wurde zwar 1870 in Wien geboren und ist vor 20 Jahren in Bad Ischl gestorben, aber er hat sich in der Welt umgesehen, pendelte bis 1927 zwischen Berlin und Wien und versuchte dann sein Glück in Hollywood.

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Jubel, Trubel, Heiterkeit am vergangenen Samstagabend in der Wiener Volksoper. Das Publikum hat sich fast drei Stunden lang sehr amüsiert an einem Werk, das bereits am 2. März 1907 im Carltheater Premiere hatte, damals gleich an die 500mal gespielt wurde und bei uns für viele Jahre in der Versenkung verschwand. Ein interessanter Mann, dieser Oscar Straus, der weder mit den großen Wiener Walzer-Sträußen noch mit dem Komponisten des „Rosenkavaliers“ verwandt ist. Er wurde zwar 1870 in Wien geboren und ist vor 20 Jahren in Bad Ischl gestorben, aber er hat sich in der Welt umgesehen, pendelte bis 1927 zwischen Berlin und Wien und versuchte dann sein Glück in Hollywood.

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Vor seinem Erfolgswerk, dem „Walzertraum“ und danach hat er noch viel Musik geschrieben: unter anderem mehrere Opern und eine Wagner-Parodie mit dem Titel „Die lustigen Nibelungen“. Aber der unverwüstliche „Walzertraum“ hat alles andere von Oscar Straus erschlagen. Auch die „Musicals“ (wie wir heute sagen würden) nach Shaws „Schokoladesoldaten“ („Helden, Helden“) und die „Liebelei“ nach Schnitzler. Schade drum. Denn in den Partituren von Oscar Straus zeigt sich ein feiner Musiker, der zwar Einfälle genug hat, es aber verschmäht, mit ihnen aufzutrumpfen, der für Singstimmen vorzüglich zu schreiben versteht und dessen immer diskret behandeltes Orchester einen sinnlich fein timforierten Klang besitzt. Darin übertrifft er die meisten seiner Zunftgenossen.

Mit dem vielgerühmten Textbuch, das seine Gags aus der. immer wieder klamaukhaft-wirkungsvollen Konfrontierung von Preußen und Österreichern bezieht, ist es, trotz zahlreicher Bearbeiter, weniger gut bestellt. Das ist erstaunlich, da es von so gewiegten Literaten wie LeopoZd Jacobson (1875 bis 1944) und von Felix Dörmann, dem bekannten Lyriker des Fin-de-siecle stammt, dessen Verse man in jeder Expressionismus-Anthologie finden kann. Aber es hat alles nichts genutzt, auch die Chanson-Texte sind von kaum überbietbarer Banalität und Sentimentalität, trotz neuerlicher Bearbeitung durch Gerhard Bronner und Hans Hagen. Da hätte man sich auf weite Strecken zu Neutextierungen entschließen müssen ...

Was die Ausstattung betrifft, so kann sowohl über die Dekorationen von Walter Hoesslin und die Kostüme von Alice Maria Schlesinger nur das Beste gesagt werden. Sie waren aufwendig, aber nicht protzig und erfüllten den Traum von der Operette. Auch die Besetzung zeigte Niveau, von sehr gut bis gut {Heinz Reincke, primo loco, Peter Minich, Erich Kuchar, Peter Gerhard und Herbert Prikopa sowie die Damen de Groote, Helga Papouschek, Irmgard Seefried und Monique Lo-basa). Die umfangreiche Balletteinlage im zweiten Akt wurde von Gerhard Senft ein wenig konventionell choreographiert. — Am wenigsten zu beneiden war der Regisseur Robert Herzl, der zahlreichen dramatischen Klischees zu neuem Leben verhelfen wollte: Leutnant Graf Niki Hohenstein soll an einem weit nördlich gelegenen Duodezfürstenhof mit der hübschen Prinzessin zwangsvermählt werden, und das möglichst geschwinde, da man sich wegen der Erbnachfolge Sorgen macht. Aber Niki will nicht, versucht, sich durch Flucht zu entziehen, wird aber durch die Neigung zur Leiterin einer Wiener Damenkapelle abgelenkt, zum guten Ende aber doch noch ins fürstliche Brautgemach getrieben. (Das nicht gerade geistreiche Sujet fanden die Texter im „Buch der Abenteurer“ von Hans Müller-Einigen.)

Die dankbarste Aufgabe hatte Franz Bauer-Theussl übernommen, der die feingliedrige Partitur von Oscar Straus auf das sorgfältigste betreute. Am Optischen, an der anmutigen Musik und den vielen gutaussehenden Sängern hatte das Premierenpublikum große Freude, und man kann dieser Produktion eine lange Reihe von Aufführungen voraussagen. Es war alles sehr gefällig und harmonisch, eingedenk des Wortes von Brecht: „Mit Essig fängt man keine Fliegen.“ Also servierte man wohlschmeckenden gesunden Honig.

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