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Unerhörte Kindergebete

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Der Krieg am Golf ist nicht nur für die Erwachsenen eine Sorge. Krieg - das geht auch die Kinder an. Sie erfahren viel aus den Gesprächen zwischen Eltern und mit Freunden, das Fernsehen liefert Bombardierungen und Nahkampf-Training frei Haus. Der Krieg, der drohende Krieg, war schon im Gespräch, ehe er ausbrach, ehe die ersten Bomben fielen. Und keiner soll sagen, daß niemand etwas getan hätte.

Was? Gebetet - zum Beispiel.

Eine Klasse von achtjährigen Schülerinnen und Schülern im Salzburger Land hat wochenlang vor Ausbruch des Krieges mit ihrem Religionslehrer, einem Pfarrer, den sie sehr gerne haben, für die Erhaltung des Friedens gebetet.

Dann brach der Krieg aus. Ein Mädchen - wir wollen der Einfachheit halber nur von einem sprechen - kam völlig verstört nach Hause zu seinen Eltern.

„Wie kann Gott das zulassen? Wir

haben doch gebetet. So lange. Immer wieder. Hat er uns denn nicht gehört? Und wenn er uns gehört hat, wie kann er dann den Krieg zulassen?"

Ich weiß nicht, was die Eltern geantwortet haben, was der Pfarrer geantwortet hat. Wie die meisten Kinderfragen ist auch diese sehr schwer zu beantworten - wenn sie überhaupt zu beantworten ist. Es soll vorkommen, daß Kinder klüger sind als Erwachsene. Daß sie, wenn sie nicht weiterwissen, ihre eigenen Antworten finden, sich zu helfen wissen, um nicht irre zu werden an den Ordnungen, die zu stürzen scheinen.

Zufällig wurde ich an einem anderen Ort mit dem selben Thema beschäftigt. In einer kleinen Stadt im Bayerischen. Hier waren die Kinder noch ein Jahr jünger, also siebenjährige Mädchen und Buben. Auch sie hatten, freiwillig mit ihrer Religionslehrerin, auch sie sehr beliebt, für den Frieden gebetet,

lange vor seinem Ausbruch.

Auch hier dieselbe Niedergeschlagenheit und Enttäuschung. „Alles was wir getan haben, war umsonst. Er hat uns nicht gehört." Auch hier die Frage an die Religionslehrerin. Bevor sie aber noch; den Versuch einer Antwort geben konnte, meldete sich ein Bub und nahm ihr alles ab.

„Was wollt's denn?" sagte er, „natürlich hat er all's g'hört, weil er all's hört. Der ist doch viel gescheiter als wir. Wir verstehn' s halt nicht. Wir müssen weiterbeten."

Der Rest war eine einzige stumme Frage an die Religionslehrerin. Sie nickte dem Buben zu, lächelte und sagte: „Ich glaub', das ist eine gute Antwort."

P.S.: Wenig später erhielt ich zum Thema einen Brief. Darin stand zu lesen: „Gott kann. Aber er muß nicht. Und er muß nicht immer gleich."

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