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Digital In Arbeit

Von der Freiheit zur Freiwilligkeit

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Ein Merkmal unserer Gesellschaftsordnung, die Freiheit, steht für viele von uns im Zwielicht von Zwängen, Verpflichtungen, unfrei machenden Belastungen. Frei-willig fängt man zu arbeiten an, aber dann muß man die Leistung auch regelmäßig erbringen und Unannehmlichkeiten, von denen man vorher nichts gewußt hat, in Kauf nehmen, sodaß man sich eingeengt fühlt. Auf den ersten Blick scheint es Ausnahmen zu geben, die freiwilligen Mitarbeiter der Rettung, der Feuerwehr etwa, aber auch sie haben sich einmal in Dienst nehmen lassen und dürften in ihrer Dienst-Zeit den

Einsatz nicht verweigern, obwohl die Bezahlung ihr Risiko und ihre Leistung nicht abgelten könnte. Unfreundlich, verdrossen, widerwillig arbeiten viele Österreicherinnen. Haben sie nie frei-willig gelächelt, Entgegenkommen gezeigt?

Manche haben von Freiwilligkeit nie viel gehalten. Für sie ist wichtig, daß sie genug verdienen, und sie tun nur, wozu sie verpflichtet sind. „Ich mache meine Arbeit, alles andere ist mir egal. Wenn meine Arbeitszeit aus ist und ich die Tür hinter mir zumache, ist die Firma für mich schon gestorben, bevor ich im Auto sitze.'' Zusammenarbeiten haben sie nicht gelernt und sehen keinen Wert darin.

Andere haben frei-willig zu arbeiten angefangen und auch den Willen zur Zusammenarbeit mitgebracht, aber ihre Vorgesetzten dachten ungefähr so: „Ich zahle für das, was ich verlange, und ich zahle gut, also muß ich nicht auch noch freundlich sein, ich bin kein Wohltäter. Ich wäre weniger ekelhaft, wenn meine Leute nicht so stur und so bequem wären, daß ich mich um jeden Schmarrn selber kümmern muß." Zusammenarbeit war nicht gefragt und Anerkennung nicht zu bekommen.

Wieder andere haben sich „geschnitten", wie man in Österreich sagt, sie wollten eine Misere ändern, bessern, aufs Tapet bringen, auch Kolleginnen und Kollegen waren dafür, aber vor der entscheidenden Besprechung sind sie alle „umgefallen"...

Wenn dann eine Idee, ein Programm, und sei es ein politisches, nach Befreiung von unangenehmen Zwangslagen aussieht, wenn einer kommt, der nicht für Kompromisse ist, für Einigungen und die oft unbefriedigenden Ergebnisse, sondern fürs Aufräumen, Abschaffen, für den großen Schwung, und wenn dieser Politiker so reden kann, daß er die verschiedenen Unzufriedenheiten wie an

Fäden zieht und bündelt, hat er damit auch die ungenützte Freiwilligkeit vieler Menschen am Schnürl, den Handlungsbedarf, den Freiheits-Drang, den Egoismus, den Wunsch nach „tabula rasa" und noch ärgeres; das Reizwort „frei..." setzt nicht nur gute Ideen oder Kräfte frei, und wenn es etwas gibt, was mit Sicherheit durch keine Freiheit oder Befreiung automatisch besser wird, dann sind es -die Menschen selbst.

Auf (Be-)freiersfüßen?

Als die Partnersuche der Männer noch „freien" hieß, war Mann „auf Freiersfußen", um ein „Weib" zu freien, und wünschte sich eines, das nicht nur anstandslos die Seine wurde, sondern frei-willig den vielfältigen Pflichten des Eheweibes oblag, da Freiwilligkeit schon immer die Qualität der verschiedensten Tätigkeiten beträchtlich erhöht hat. Damals genügte für Freiwilligkeit das Wort „willig", die Freiheit war nicht populär, sonst wäre mancher Freier - auch ohne Änderung seines Lebensplanes - vorsorglich auf Be-freiersfüßen gewandelt.

Manche Undemokraten wissen so genau, was sie tun, daß sie deutlich Bereitschaft zur Zusammenarbeit ausstrahlen, den Schwung, der die Sympathisanten mitreißen soll, die Selbstsicherheit, die vielen fehlt. Wer da nur auf die wirksame Optik anspricht, aufs gut überlegte Image, und nicht auch frei-willig darauf achtet, wem und welchen Ideen er sich verschreibt, der wird auch mit vollem freiwilligem Einsatz undemokratisch handeln, neues Unrecht in die Welt setzen, neuer (alter) Unmenschlichkeit Vorschub leisten.

Freiwilligkeit kann schön sein, selbst dann noch, wenn sie anstrengend ist, aber wer sich einspannen läßt, ohne genauer zu fragen wofür, zieht freiwillig ein trojanisches Pferd.

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