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Warum wird man Schriftsteller?

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Fast bei jeder Begegnung mit Lesern oder Hörern fragt man einen Autor, warum er Schriftsteller geworden ist. Nun - warum wird man Tischler, Schornsteinfeger, Chemiker oder Lokführer?

Von einem Schornsteinfeger erwartet niemand eine feierliche Erklärung, er hätte seinen Beruf gewählt, um die Menschheit zu retten, damit sie nicht unter verstopften Schornsteinen durch Kälte oder Erstickung ausstirbt - obwohl eine solche Antwort nicht ganz unberechtigt wäre. Von einem Schriftsteller erwartet man, daß er seine Berufswahl feierlich mit allerhöchsten Zielen begründet.

Ein Schriftsteller, der glaubt, daß er durchsein SchreibendieMensch-heit retten kann, ist entweder grenzenlos naiv - was nur bei ganz jungen Autoren entschuldbar ist - oder grenzenlos überheblich: Er glaubt, daß er - und nur er - im Besitz der Wahrheit ist; wenn er sie verkündet und die Menschen sie hören, wird die Welt errettet. Ja - wenn dies so einfach wäre...

Wenn man mich fragt, warum ich Schriftsteller geworden bin, antworte ich: weil ich nichts anderes gelernt habe. Dies ist zwar wahr, es ist aber auch eine Ausrede, denn ich hätte ja etwas anderes lernen können

Als ganz kleiner Junge wollte ich Arzt werden und eine Medizin erfinden, damit Mutti und Vati nicht sterben müssen. Als Schüler wollte ich abwechselnd Mikrobiologe, Geologe und Astronom werden, je nachdem was ich eben gelesen habe. Ich war sogar schon an der Uni als Student für Physik und Mathematik eingeschrieben, mit dem Ziel, Kernforscher zu werden. Ganze drei Wochen.

Dann erfuhr ich, daß es in Prag eine Fakultät für Journalistik gibt, und wußte plötzlich ganz genau, was ich machen will - schreiben. (Übrigens - Journalistik ist für mich genauso eine literarische Gattung wie Roman und Poesie. Qualitative Unterschiede gibt es zwischen Werken oder Autoren, nicht zwischen Gattungen)

Warum ich es damals, als Achtzehnjähriger, so genau wußte, welchen Beruf ich haben will? Ich weiß es nicht. Jemand sagte es vor langer Zeit: wenn man weiß, warum man jemanden hebt, hebt man ihn nicht wirklich

Wird man Schriftsteller, weil man berühmt werden will? Dies wäre legitim, denn jeder Mensch will anerkannt werden.

Als praktischer Weg zum Ruhm taugt die Sehriftstellerei allerdings wenig. Wie viele Autoren werden berühmt? Einige der Besten und einige, die man am besten verkauft.

Mit der Schreiberei ist es wie mit der Liebe: Richtig beglückt wird man erst, wenn man dem Partner Freude gemacht hat

Das ist wohl das schönste an meinem Beruf: daß man zu vielen Menschen sprechen kann - und manche hören zu und finden etwas daran, was man gesagt hat. Ich freue mich, wenn jemand sagt, daß mein Buch ihm Spaß gemacht hat oder ihn zum Nachdenken gebracht. Ich freue mich, wenn jemand sagt: „Sie haben genau das formuliert, was ich dachte.“

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