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Wie plakativ sind wir als Kirche?

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Gesucht werden Aktivisten, Denker, Gesinnungstäter …

Noch nie wurde in der Kirche soviel für so wenige organisiert. Die Organisierer funktionieren. Die Büros sprühen Aktivität. Die Papierkörbe quellen über. Die Terminkalender sind vollge- schrieben. Dieselben Leute versichern einander immer wieder, wie wichtig sie sind.

In demselben Ausmaß verschwindet die Kirche aus dem Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit.

Ja, der Papst in Polen, oder in Amerika oder in Irland, das ist etwas. Katholik sein im täglichen Leben, das ist etwas anderes.

Aber: Wohin soll ich mich wenden? Die Organisationen besprechen Aktionen;. Die Aktionen wollen organisiertsein.

Ohne jetzt pauschal alle anzuklagen: Die sich angesprochen fühlen, sollen ruhig Übelnehmen. Aber vergessen wir nicht allzu oft unseren pastoralen Auftrag? Haben wir dazu überhaupt die notwendige Zeit und Besinnung?

Die gesellschaftliche Realität hat sich gerade in den letzten zwanzig Jahren massiv gewandelt. Damit dürfte ich keine Neuigkeit verraten. Aber haben wir ein Rezept? Denken wir genug nach?

Ein Beispiel: die Situation der Familien.

War es doch früher so, daß die religiöse Bildung der Kinder zum größten Teil in der Familie erfolgt ist. Wer erinnert sich nicht der eigenen Großmutter, die, mehr noch als die Eltern, die religiöse Bildung der Kinder beeinflußte?

Jetzt sind wir mit einer Großelterngeneration konfrontiert, die selbst religiös verunsichert ist. Die, zur Kriegsgeneration gehörend, jetzt ihr Leben genießen will. Die bestenfalls als Beaufsichtigungsorgan in den Familienverband einzubauen ist.

Ich bitte alle Großeltern, die mehr tun, um Verzeihung. Sie sind nicht gemeint.

Aber bitte, woher kommt es, daß, man braucht nur die Religionslehrer zu befragen, die Kinder nicht beten können?

Noch ein Beispiel: Ein junges Mädchen wird schwanger. Eltern und „Bräutigam“ drängen zur Abtreibung. Ein beliebtes Klischeebild in unserem Kampf zum Schutz des ungeborenen Lebens.

Ich behaupte, diese junge Frau trägt in Wirklichkeit „ihr“ Kind aus. Sie ist emanzipiert genug, sich gegen eine bequemer denkende Um weit durchzusetzen. Ihr muß nach der Geburt geholfen werden.

Aber wer registriert die Zahl der „reifen“ Frauen, die zum Mittel der Abtreibung als Geburtenkontrolle greifen? Und nichts dabei finden? Weil es ohnehin erlaubt ist - vom Gesetz…

Ein typisches Beispiel dazu: Zehn Jahre verheiratet, zwei Kinder, Mutter nach dem zweiten Kind wieder in ihrem Beruf tätig. Nach Absetzen der Pille schwanger. Mann freut sich auf den Familienzuwachs. Die Frau „will sich das nicht noch einmal antun“. Die Abtreibung hat stattgefunden.

Wer formt diese Menschen? Wer vermittelt ihnen die christlichen Wertvorstellungen?

• Wie „plakativ“ sind wir als Kirche? Als Gemeinschaft der Gläubigen? Als lebendige Christen? Es lohnt sich, darüber nachzudenken, daß es der Papst ist, der die Amtsträger der Kirche immer wieder auffordert, auch optisch in Erscheinung zu treten, das heißt, die Unbequemlichkeit ihrer Kleidung als Abzeichen quasi zu akzeptieren.

• Fordern wir alle Christen auf, die „Unbequemlichkeiten“ unseres Christentums quasi als Abzeichen zu tragen!

Um das auch zu ermöglichen, sollte man eine Vielzahl der bestehenden Organisationen und Aktionen in Frage stellen.

Ich bin überzeugt, daß, im Kern, so manche Organisa- tiop noch zu einer selbstreinigenden Besinnung auf Aktivisten und deren Heranziehung zu pastoralem Tun fähig ist.

Und diejenigen, die dazu nicht fähig sind, sollte man einmal nach ihrer Existenzberechtigung befragen.

Das ist eine klar ausgesprochene Bitte an die Führung der Kirche.

Es ist spät. Aber es ist nicht zu spät. Wir haben jetzt die Chance, in den aktiven Jahrgängen die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge der frühen vierziger Jahre anzutreffen. Hier ist eine Personengruppe, die noch eine „funktionierende“ Kirche miterlebt hat.

Sicher war nicht alles Gold, was damals geglänzt hat. Sonst wären das Konzil und die Synoden nicht notwendig gewesen. Aber damals wurde in der ersten Begeisterung vieles über Bord geworfen, wofür wir bis jetzt noch keinen Ersatz gefunden haben. Versuchen wir endlich, aus der Geschichte zu lernen. Bauen wir jetzt für die Zukunft!

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