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Wieder sollen die Familien draufzahlen
Die Familien sind wieder einmal dran: In Österreich solider Fonds des Familienlastenausgleichs wieder einmal zweckentfremdet angezapft werden. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Beihilfe für das erste Kind ersatzlos gestrichen.
Die Familien sind wieder einmal dran: In Österreich solider Fonds des Familienlastenausgleichs wieder einmal zweckentfremdet angezapft werden. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Beihilfe für das erste Kind ersatzlos gestrichen.
Seit 1970 wurden Gelder der Familienlastenausgleichsfonds in Österreich immer wieder und verstärkt zur Finanzierung anderer Vorhaben herangezogen. Der ursprüngliche Zweck des Fonds war es ja, den Familienerhaltern, die für ihre Leistung am Arbeitsplatz den gleichen Lohn wie Unverheiratete bekommen, einen Teil der Mehrkosten abzunehmen.
Dann kamen die Schülerfreifahrten und die Gratisschulbücher, und die aus dem Fonds dafür entnommenen Beträge halfen Verkehrsbetrieben, Gemeindebudgets und Verlagen zu neuen Einnahmen.
Die Fondskassen aber leerten sich. Seit Jänner dieses Jahres werden mehr als zwei Milliarden Schilling aus Fondseinnahmen in die Pensionsversicherung umgeleitet: 3000 Schilling pro Kind und Jahr. Dafür muß der Familienlastenausgleichsfonds nun auch seine Reserven heranziehen.
Der Fonds aber „ist nicht die Melkkuh der Nation“, empörte sich Heinrich Gotsmy, der Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs. In einer Presseaussendung lehnte dieser alle Versuche ab, solche Mittel nun auch noch zur Sanierung der Krankenkassen (Bundeskammervorschlag) oder des Wohnbaus (Wiener Stadtrat Hatzel) heranzuziehen.
Getäuscht und verraten fühlt sich derzeit auch der Deutsche Familienverband. Als die Bonner Bundesregierung vor Wochen daranging, drastische Ausgabenkürzungen zu erörtern, wurde zunächst immer wieder versichert, daß das Kindergeld (unsere Familienbeihilfe) davon unberührt bleiben soll.
„Niemand will das Kindergeld kürzen, ich habe das schon fünfzehnmal gesagt,“ versicherte im Mai gekränkt Bundesfinanzminister Hans Matthöfer. Am 10. Juli wurde den im Bundesfamilienministerium vorsprechenden Familienorganisationen sinngemäß dieselbe Auskunft in aller Form erteilt: Finanz- und Familienministerium hätten sich am 9. Juli zuvor darauf geeinigt.
Der deutsche Familienverband blieb skeptisch und schrieb Briefe an den Regierungs- und den Oppositionschef. Bundeskanzler Schmidt verwies mit Schreiben vom 24. Juli auf den Ministerbeschluß vom 9. Juli; „So darf ich annehmen, daß Ihre Befürchtungen hinsichtlich des Familienlastenausgleichs ausgeräumt werden konnten.“
Am 28. Juli wurde dann bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und FDP der Beschluß vom 9. Juli „ausgeräumt“: Das Kindergeld wurde um jene 1,5 Milliarden Mark gekürzt, die in Form einer Erstkindbeihilfe von 50 DM 1975 nach Streichung der Kinderfreibeträge im Steuerrecht als Ersatz eingeführt worden war.
In einer sarkastischen Aussendung stellte der Deutsche Familienverband fest, daß die Familienministerin Antje Huber „ohne jedes persönliches Engagement wohl für die Erhöhung der Tabak- und Sektsteuer eintritt, auch noch für die Emanzipation der Frau am Fließband“, aber keine Antenne für jene Frauen habe, die „ihre Mut- terpflichten in der Familie ausüben möchten.“
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