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Guter Wille gesucht

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So haben wir uns das nicht vorgestellt. Wir haben uns zwar keine Illusionen über den Charakter der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa gemacht — trotz aller begrüßenswerten Lockerungen sind die Diktaturen Diktaturen geblieben. Aber wir hatten die Hoffnung (und haben sie immer noch), daß den Regierungen unserer östlichen Nachbarstaaten die guten Beziehungen zum neutralen Österreich mehr als ein rhetorisches Anliegen sind! Der vorwöchige Grenzzwischenfall in Gmünd zeigt jedoch deutlich, daß es den Verantwortlichen in Prag doch nicht so ernst mit dem Brückenschlag nach Wien sein kann.

Der Sachverhalt: Tschechoslowakische Grenzorgane schössen auf eine Flüchtlingsgruppe (darunter mehrere Kinder) und fügten den Flüchtlingen zum Teil schwere Verletzungen zu; ein Kind wurde gewaltsam in der CSSR zurückbehalten — das ist die menschliche Seite. Die Schüsse schlugen auf österreichischem Gebiet ein, richteten geringfügigen Sachschaden an, und nur durch Zufall wurde auf österreichischer Seite niemand verletzt — das ist die völkerrechtliche Seite. Auf den maßvollen österreichischen Protest gegen diese offenkundige Grenzverletzung reagierten die Prager Behörden, ohne, dem Anlaß entsprechend, ihr Bedauern auszudrücken, mit herausfordernden Gegenbeschuldigungen, in denen ein (offenbar von Kafka inspirierter) „Herr K.“ eine geheimnisvolle Rolle spielte — und das ist die politische Seite, die uns eben am guten Willen der tschechoslowakischen Regierung zweifeln läßt. Denn wie leicht wäre es gewesen, in einer gewundenen Erklärung deutlich erkennen zu lassen, daß man Schüsse auf österreichisches Gebiet nicht als Beitrag zur friedlichen Koexistenz betrachtet.

Bemerkenswert war nicht nur das Verhalten der CSSR-Kommundsten, sondern auch das ihrer österreichischen Genossen. Wie schon im Fall Mnaöko (mit dem wir uns an einer anderen Stelle dieses Blattes beschäftigen) hatte man nicht den Eindruck, im Zentralorgan der KPÖ die Kommentare einer im Zeichen des Pölyzentrismus wirklich unabhängigen kommunistischen Partei zu lesen. Die Stellungnahmen der österreichischen Kommunisten waren kaum mehr als eine Verneinung vor den Interessen der CSSR-Regierung. Über ein zaghaftes „Bedauerlich“ wagte man sich nicht hinaus, sondern publizierte übereifrig die Prager Gegenbeschuldigungen. Ob dieses Verhallten wohl sehr marxistisch war?

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