Das Sklaverei-Monument im Rotterdamer Lloyd-Viertel, ein Werk des Künstlers Alex da Silva, wurde 2013 errichtet. - © Foto: Tobias Müller

Entschuldigung für Verbrechen bei Sklaverei

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Der niederländische König entschuldigt sich für die Rolle seines Landes während der Sklaverei. Seine Rede eröffnet den Blick auf ein heikles Thema.

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Der niederländische König entschuldigt sich für die Rolle seines Landes während der Sklaverei. Seine Rede eröffnet den Blick auf ein heikles Thema.

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Es war eine historische Rede, die König Willem-Alexander vergangenen Samstag hielt – 150 Jahre nach der effektiven Abschaffung der Sklaverei in niederländischen Kolonien. Der Beifall, der spontan im Amsterdamer Oosterpark aufbrandete, war entsprechend. „Von allen Formen der Unfreiheit ist Sklaverei wohl die am meisten verletzende, erniedrigende und menschenunwürdige“, so der Monarch. Er erinnerte an die liberale Tradition seines Landes, aber auch daran, dass außerhalb der eigenen Grenzen „Menschen im Namen des niederländischen Staates jahrhundertelang zur Handelsware gemacht, ausgebeutet und misshandelt wurden“. Dann kam es: „Als Ihr König und Teil der niederländischen Regierung stehe ich heute hier und entschuldige mich mit Herz und Seele.“

Dass sich ein Staatsoberhaupt in dieser Form für die Verbrechen seines Landes während der Zeit von Kolonialismus und Sklaverei entschuldigt – Willem-Alexander bat ausdrücklich um „Vergebung“ dafür, dass seine Vorfahren diesen zu wenig entgegengesetzt hätten –, ist ein Novum. Nicht nur in den Niederlanden, sondern auch unter einstigen europäischen Kolonialmächten, wo sich der Diskurs in Grundzügen gleicht: Bis aktuelle historische Untersuchungen es ethisch unhaltbar und indiskutabel machen, sich nicht zu entschuldigen, weicht man diesem Schritt aus. Ist er getan, versucht man, finanzielle Schadensersatzansprüche abzuwenden.

All das prägt auch die niederländische Debatte der letzten Jahren bis heute, wie eine Gruppe von Aktivisten zeigte, die bei der Prozession von Nachkommen surinamischer und karibischer Sklaven zur Gedenkfeier mit ihren Parolen selbst die Trommelgruppen übertönte: „Was wollen wir?“ – „Entschädigungen!“ – „Wann wollen wir sie?“ – „Jetzt!“ Linda Nooitmeer, die Vorsitzende des Nationalen Sklaverei-Instituts NiNsee, lobte die Tendenz zu Entschuldigungen und neu errichteten Sklaverei-Monumente im Land, mahnte aber auch: „Ein bedeutender Teil der europäischen Niederlande hat diesen Teil der Geschichte nicht akzeptiert.“

Insofern zeigt das kleine Land, das in der kolonialen Ära ein so überproportional wichtiger Akteur war, in zugespitzter Form, welche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zahlreichen europäischen Gesellschaften unweigerlich bevorsteht. Zugespitzt, weil die Debatte darüber in den Niederlanden einerseits in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch wurde. Andererseits lehnen nicht nur die rechten Parteien bis heute Entschuldigungen ab, sondern gemäß einer aktuellen Umfrage auch ein Teil der Niederländerinnen und Niederländer.

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