Ablasshandel blüht wie eh und je

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"Das Wort sie sollen lassen stahn". So singt Luther im Glauben an Gott, seiner festen Burg, die ihm geholfen hat, seine Ängste, den Teufel und die Existenzschnitte auszuhalten, selbst sein persönliches Versagen, das, was offen blieb und bleibt an seinem theologisch umwerfenden Entwurf von der Rechtfertigung des Menschen, der in Gott sein wahres Sein und Werden findet. "Der Gerechte soll aus Glauben leben. Hier spürte ich, dass ich völlig neu geboren sei und dass ich durch die geöffneten Pforten in das Paradies selbst eingetreten sei", jubelt er über seine Freiheit. Er weiß damals plötzlich, dass niemand aus sich selber lebt, sondern alleine aus der Kraft und Gnade Gottes, aus der Tatsache, dass Gott an den Menschen glaubt. Dies kann keine Macht der Welt sich erkaufen. Am letzten Tag im Oktober, einen Abend vor Allerheiligen, macht er 1517 seinen Glauben öffentlich und sagt in der 45. seiner 95 Thesen: Durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser

Der Ablasshandel blüht heute wie eh und je in einem durchinstrumentalisierten Weltbusiness, in dem säkulare Marionettenhändler mitspielen, kleine und sehr große, deren Gott mit seiner kalten Unvernunft die Seele aus ihrer Heimat vertrieben hat, an den sie, über alle Zweifel und Selbstzweifel erhaben, glauben. Mit ihm werben sie für Wahlen, Produkte und für sich selbst: "So wahr mir Gott helfe." Durch ein Werk der Lüge wächst die Lüge und der Mensch wird verlogener, aber durch den Ausverkauf seiner Seele wird er nicht besser. Doch durch ein Werk der Wahrheit wird ein Mensch wahrer und unkonsumierbarer.

Unbrauchbar für alles, was Menschen, Frauen, Männer, Kinder verachtet und das geliebte Leben aller Länder und aller Religionen: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders!"

Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien

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