An den Worten messen

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Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten will die neue Regierung gemessen werden. Schon Goethes Faust weiß, wie schwierig es ist, das Verhältnis von Wort und Tat richtig zu bestimmen. "Im Anfang war das Wort", so beginnt das Johannesevangelium. Genauer gesagt: Im Anfang war der göttliche Logos, durch den alles geschaffen ist und der in Jesus Christus Mensch wurde.

Wie aber das griechische Wort "Logos" richtig übersetzen? Faust entscheidet sich schließlich für folgende Deutung: "Im Anfang war die Tat." Heißt das, dass auch Gott nicht nach seinen Worten, sondern allein nach seinen Taten beurteilt werden will?

Das wäre ein Missverständnis. Wie schon im Alten Testament, so ist auch im Neuen Testament das Wort Gottes als ein Tatwort, als schöpferische Kraft, vorgestellt. Gott sprach - und es wurde. Worte sind mehr als bloße Absichtserklärungen oder Wirklichkeitsbeschreibungen. Worte schaffen eine neue Realität und verändern sie.

Wie Gott durch das Wort Wirklichkeit schafft und verändert, so auch wir Menschen. Sprachwissenschaftler sprechen sogar von Sprachhandlungen. Worte können Menschen aufrichten und ermutigen. Sie können aber auch verletzen und töten.

Die Sprache, auch und gerade in der Politik, kann ein Klima der Offenheit, des Vertrauens und Wohlwollens oder auch der Verunsicherung, der Angst und der Verachtung erzeugen. Daher sind wir alle sehr wohl auch an unseren Worten zu messen.

Gerade die evangelische Kirche weiß um die Macht des Wortes. Denn in ihrem Glaubensleben und Gottesdienst steht die Verkündigung des Evangeliums im Zentrum, das unser einziger Trost im Leben und im Sterben sein soll.

Es liegt an uns, dieses Wort in unseren eigenen Worten und Taten glaubhaft zu bezeugen.

Ulrich H. J. Körtner ist Professor für Systematische Theologie H.B. an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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