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Das Trennende und das Gemeinsame

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Der konservative Katholik bewahrt seinen auf Grund der Autorität Gottes und der Kirche mit himmlischer Gnadenhilfe akzeptierten Glauben unverfälscht. Er freut sich stets über neue Erkenntnisse, wiewohl er weiß, daß die Offenbarung mit dem Tode des letzten Apostels, respektive Hagiographen, abgeschlossen ist. Was die Konzile und die' Dogmatisierungen der Päpste „brachten“, das ist nicht die willkürliche Hinzufügung von „neuer“ Glaubenssubstanz. Quod semper, ubique et ab omnibus credi- tur, haec est fides catholica. Was immer (zu allen Zeiten), überall (auf der Welt) und von allen (Katholiken) geglaubt wird, das ist unser katholischer, apostolischer Glaube.

Sogenannte „Definierungen“ neuer Glaubenssätze bedeuten daher nur die Entfaltung der bereits vorhandenen Knospe zur vollen, erkennbaren Blüte. Die Geheimnisse des Glaubens wachsen auf dem göttlichen und kirchlichen Boden der Schrift und mündlichen Überlieferung. Die ökumenischen Konzile im Verein mit dem Bischof von Rom oder dieser allein, wenn er kraft seiner Unfehlbarkeit in Glaubensund Sittenlebren ex cathedra spricht, entscheiden über Glaubenssätze. Nicht aber die intellektuelle Tüftelei von akademisch graduierten Theologen, die an Stelle des „magisterium ordinarium“, des ordentlichen Lehramtes der Kirche, ihre mehr oder minder geistreichen Einfälle wirken lassen und diese dann als charismatische Mitarbeit des Gottesgeistes legitimieren.

Im Gegensatz zu dem seinen Glauben bewahrenden (konservativen) Katholiken steht der Reaktionär. Der Rückschrittler. Der Geisttötende. Der Gottes Geist überhaupt nicht wehen spürt, weil sich seine menschliche Dumpfheit jedem Anruf a priori verschließt. Der den Weg lieber in die Vergangenheit sucht, weil ihm die Tugend der Hoffnung fremd ist, weil er das Abenteuer des Christseins nicht riskiert. Der zumindest, wenn schon nicht im theologischen Rückwärtsgang, so doch auf Grund seines religiösen Leerlaufes für das Fortschreiten am Wege zum Endziel des Menschen untauglich ist. Wenn ein solcher Reaktionär am Ende gerettet wird, dann nur durch Gottes Gnade.

Die Stunde der Orthodoxie ist gekommen. In einer Zeit, da das päpstliche Lehramt und die Autorität des

Heiligen Stuhles überhaupt durch hektische „religiöse Demokrati- sierer“ in Frage gestellt scheinen, fühlen wir Katholiken uns in tiefer Brüderlichkeit mit den orthodoxen, von Rom getrennten Brüdern und Schwestern verbunden. Verbunden auf weiten Ebenen des heiligen Glaubens, im Bekenntnis zum Auferstandenen und in den Himmel Aufgefahrenen, im Bekenntnis zu den sieben Sakramenten, in der Verehrung der allerseligsten unbefleckt empfangenen Jungfrau, der Gottesgebärerin und in den Himmel Aufgenommenen, der Mutter Maria.

Wir wissen, daß es genug an Trennendem zwischen den Orthodoxen und den Katholiken gibt, das nicht hinweggefegt, auch nicht unbemerkt retuschiert werden kann, wiewohl es begründete Chancen im Glaubensgespräch zwischen den beiden Partnern gibt. Dafür zeugen etwa die Schriften von Michael Lehmann, „Im Grenzland der Kirchen“,

und von Yuej Congar, „Zerrissene Christenheit“.

Was uns aber mit den Orthodoxen vereint, das ist neben dem Bekenntnis der heiligen Glaubenssätze jener Geist des Sakralen, des stabil heiligen, der sich im Frömmigkeitsleben geistlicher Menschen diesseits und jenseits der Schranken wie auch in der Pflege der heiligen Liturgie manifestiert. Die Brücke vom Glauben zum Leben wird auch die Brücke der Ökumene sein. Gemeinsam gilt es, den Ungeist der gerade noch katholischen Entrümpler, der Aufklärer und Modernisten zu bekämpfen, der sich übrigens in gleichem Maße bei Katholiken und Protestanten findet! Wer etwa die sorgenvollen Enuntiationen des Altbischofs der evangelischen Kirche Österreichs A. B., D. Gerhard May, und die respektheischende Antrittspredigt Bischof Oskar Sakrauskys am 31. Oktober 1968 in der lutherischen Dorotheerkirche Wiens, kennt, der weiß, wie sehr mitunter gläubige Evangelische und gläubige Katholiken ähnliche Sorgen verbinden, so sie redlich um die Bewahrung der Glaubenslehre und subjektiven oder objektiven Wahrheit ringen.

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