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Die Glaubenswelt unserer Brüder
Das vorliegende Buch „wendet sich nicht zuerst an Fachtheologen und Studenten ..sondern an einen möglichst breiten Leserkreis” und verzichtet darum, trotz einer Fülle wertvoller Literaturhinweise, auf den in spezialwissenschaftlichen Publikationen üblichen gelehrten Apparat. Dessenungeachtet offenbart es dem Kundigen auf Schritt und Tritt die innige Vertrautheit seines Verfassers mit den in Frage stehenden Tatsachen und Problemen. Es läßt keinen Zweifel aufkommen an der bewußt und dezidiert katholischen Haltung des Autors, die jeden Versuch einer Verharmlosung oder oberflächlichen Appla- nierung der obwaltenden konfessionellen Gegensätze von vornherein ausschließt, und zeichnet sich zugleich aus durch das ernste Bemühen, dem Anliegen der „anderen Seite” Genüge zu tun. Eine solche Auseinandersetzung auf hoher Ebene, fernab von der unfruchtbaren und oft unwürdigen wechselseitigen Polemik früherer Zeiten, ist geradezu ein Gebot der Stunde, macht doch der Weltprotestantismus „alles andere als einen überlebten Eindruck. Er scheint die religiöse Verflachung Und Erweichung des vergangenen Jahrhunderts überwunden zu haben und befindet sich offensichtlich in einem Stadium der Erneuerung und Belebung” (Seite 8). Nicht zuletzt hat die ökumenische Entwicklung der jüngsten Vergangenheit, die „nun einmal, allen anfänglichen Absichten und Erwartungen zum Trotz, mehr und mehr auf einen Zusammenschluß und ein Zusammenwachsen des Weltprotestantismus hinausgelaufen” ist (S. 257), zu dessen Konsolidierung beigetragen.
Das vorliegende Buch „wendet sich nicht zuerst an Fachtheologen und Studenten ..sondern an einen möglichst breiten Leserkreis” und verzichtet darum, trotz einer Fülle wertvoller Literaturhinweise, auf den in spezialwissenschaftlichen Publikationen üblichen gelehrten Apparat. Dessenungeachtet offenbart es dem Kundigen auf Schritt und Tritt die innige Vertrautheit seines Verfassers mit den in Frage stehenden Tatsachen und Problemen. Es läßt keinen Zweifel aufkommen an der bewußt und dezidiert katholischen Haltung des Autors, die jeden Versuch einer Verharmlosung oder oberflächlichen Appla- nierung der obwaltenden konfessionellen Gegensätze von vornherein ausschließt, und zeichnet sich zugleich aus durch das ernste Bemühen, dem Anliegen der „anderen Seite” Genüge zu tun. Eine solche Auseinandersetzung auf hoher Ebene, fernab von der unfruchtbaren und oft unwürdigen wechselseitigen Polemik früherer Zeiten, ist geradezu ein Gebot der Stunde, macht doch der Weltprotestantismus „alles andere als einen überlebten Eindruck. Er scheint die religiöse Verflachung Und Erweichung des vergangenen Jahrhunderts überwunden zu haben und befindet sich offensichtlich in einem Stadium der Erneuerung und Belebung” (Seite 8). Nicht zuletzt hat die ökumenische Entwicklung der jüngsten Vergangenheit, die „nun einmal, allen anfänglichen Absichten und Erwartungen zum Trotz, mehr und mehr auf einen Zusammenschluß und ein Zusammenwachsen des Weltprotestantismus hinausgelaufen” ist (S. 257), zu dessen Konsolidierung beigetragen.
Indessen ist das, was man als Protestantismus zu bezeichnen pflegt, nicht nur eine ungewöhnlich differenzierte Größe, sondern ein so heterogenes Gebilde, daß von einer echten Einheit füglich nicht mehr gesprochen werden kann. Van de Pol antwortet: „Es ist einfach nicht wahr, daß jede eigene protestantische Kirche einen eigenen Glauben hat und daß der Protestant also zwischen genau so vielen Glaubensüberzeugungen, wie es Kirchen gibt, wählen müßte. Faktisch handelt es
6ich bei der protestantischen Zersplitterung um Konflikte und Spannungen zwischen höchstens drei oder vier gegensätzlichen dogmatischen und kirchlichen Standpunkten” (S. 214). Erfolgt diese Feststellung zunächst im Blick auf den Weg, den der Protestantismus seit der Stabilisierung der großen reformatorischen Kirchengebilde im 16. Jahrhundert gegangen ist, so hat 6ie doch vor allem diese selbst im Auge. Von hier aus ergibt sich die Gliederung des Buches in vier Kapitel, die der Darstellung des lutherischen, des reformierten und des anglikanischen Protestantismus und endlich einer Vielfalt von Bewegungen, zumeist in Gestalt von Freikirchen und Sekten, gewidmet sind.
Muß man auch „den Kern des evangelischen und reformatorischen Zeugnisses Luthers als den eigentlichen und wichtigsten Faktor betrachten, der die in den wesentlichen Punkten voneinander verschiedenen Haupttypen des Protestantismus doch zu einer wirklichen Einheit zusammenbindet, mit anderen Worten: als das eigentliche Einheitsfundameut des
Weltprotestantismus” (S. 68), so ist van de Pol gleichwohl von der weitgehenden religiösen Eigenständigkeit eines Zwingli und Calvin in ihren schöpferischen Leistungen zutiefst überzeugt. Diese und die weitere Tatsache, daß seine, des Niederländers, konfessionelle Umweltsituation maßgeblich vom Reformiertentum geprägt ist, war dazu angetan, ihm eine ausführliche, hie und da sogar durch entbehrlich erscheinende Details darbietende Schilderung des letzteren nahezulegen. Erreicht sie auch nicht die gleiche theologische Flöhenlage wie jene des „Lutheranismus”, so.darf sie dessenungeachtet doch als gelungen bezeichnet werden.
Einigermaßen problematisch will uns das dritte, dem anglikanischen Protestantismus gewidmete Kapitel bedünken. Wir glauben aber, nicht fehlzugehen mit der Feststellung, daß durch van de Pols Gesamtschau des Anglikanismus ein Bruch hindurchgeht. Denn — ganz abgesehen von fraglos anfechtbaren Aussagen wie der, der Anglikanismus habe „mehr als irgendeine andere Form des Christlichen kein statisches, sondern ein dynamisches Gepräge” (S. 155) oder er sei „auffallend biblisch” (S. 186) — läßt sich eine Kirche,
die „eine Komplexität und Verschiedenheit in Lehren und Bräuchen, die in der
Geschichte des Christentums ohne Gegenstück ist”, aufweist (S. 203), die in Interkommunion mit den Altkatholiken steht, deren Einfluß im Weltkirchenrat nach der Meinung unseres Autors in demselben Maße, wie dieser eine immer stärkere protestantische Ausrichtung erfahren hat, abgesunken ist, als ihrem Wesen nach eindeutig , protestantisch bezeichnen, wie dies hier geschieht?
Bis zu einem gewissen Grade verständlich wird diese Zuordnung des Anglikanismus freilich dann, wenn man die große, unausweichliche Alternative ins Auge faßt, vor die sich, van de Pol zufolge, die Christenheit angesichts ihrer Aufspaltung gestellt sieht. Der Punkt, an dem sich die Geister trennen, ist die hier und dort lebendige Vorstellung vom Wesen der Kirche mit allen aus ihr resultierenden theoretischen und praktischen Konsequenzen. An ihm entscheide sich das Schicksal aller Bemühungen, auch derjenigen des Weltprotestantismus als der treibenden Kraft der ökumenischen Bewegung, um die Verwirklichung des „ut omnes unum sint”.
Wir glauben, daß beide, Katholiken wie Protestanten, unserem Autor Dank dafür schulden, diese Überzeugung in unüberbietbarer Klarheit zum Ausdruck gebracht zu haben.
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