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Geheimnisvolle Wege

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Der Riß der Christenheit vollendete sich innerhalb der Westkirche, da Luther und Calvin die Römisch-Katholische Kirche offen nicht nur als „häretisch“, sondern als „Sitz des Antichrist“ bezeichneten, während Rom, folgerichtig, die Häupter und Anhänger der Reformation unter Exkommunikation stellte. Dieser äußerste Riß wirkte sich (bis ins 19. Jahrhundert) dahin aus, daß beide, Ostkirche und Reformationskirche, immer mehr das spezifisch Römisch-Katholische aus ihrem Christentum ausschieden, während die Römisch-Katholische Kirche seit dem Trienter Konzil immer betonter „gegen-reformatorisch“ und in etwa auch „gegen-ostkirchlich“ wurde.

Unterhalb dieser hoffnungslosen Gegensätzlichkeiten begann aber immer mehr ein positives Aufeinanderwirken der gegensätzlichen Kirchen. Einerseits war es das reformatorische Bibel-Christentum, das in der Römisch-Katholischen Kirche eine wahre „Schrift-Theologie“ geheimnisvoll sich erneuern ließ, und war es das ostkirchliche Liturgie-Christentum, das in der Römisch-Katholischen Kirche einen „Frühling der Liturgie“ (ebenso geheimnisvoll) aufblühen ließ, während umgekehrt gerade ein traditionsfeindlicher Protestantismus immer innerlicher und überraschter die Römisch-Katholische Kirche als Hort der altchristlichen Tradition anzuerkennen begann, aus denen nun die Reformationskirchen neue Kraft (gegenüber dem äußersten Rationalismus des 19. Jahrhunderts) schöpfen können. Auf diesem Weg der Durchschränkung kommen, wenn auch noch so verhüllt, Römisch-Katholische Ökumene und

All-Christliche Ökumene einander entgegen, ja beschenken einander, um im gegenseitigen Sich-Beschenken (bewußt oder mehr unbewußt) jene „Agape zu einander“ zu üben, die das Gebot Christi ist, das Wesen Christi, ja, gemäß 1. Joh. 4, 8, „Gott selbst“.

Das „Paradox der Kirche“

Damit rühren wir an das Mysterium, in dem allermeist die „eschatologische Einigung“ schon innerzeitlich zu werden vermag. Wie Kardinal Bea zu betonen nicht müde ward, gehören alle Getauften zum „Mystischen Leib Christi“. Eine All-Christliche Ökumene bildet also, in kraft gültiger Taufe, eine wahre „geheime Kirche“, während die Römisch-Katholische Kirche (in der das Tauf-Christentum in seiner ganzen Fülle sich darstellt) gleichsam als „offene Kirche“ bezeichnet werden könnte. So wahr darum auch die „offene Einigung“ eschatologisch ist, so durchdringen sich doch immer mehr

— in einem wahren „admirabile commercium“, „Wunder des Austauschs“

— „All-Christliche Kirche“ als „geheime Kirche“ (wie sie sich als „unsichtbare Kirche“ sieht) und Römisch-Katholische Kirche als „offene Kirche“ (wie sie sich als „sichtbare Kirche“ bekennt). Wie nach den griechischen Kirchenvätern Christus das „parado-xon paradoxön“ ist, so ist es das „Paradox der Kirche“ überhaupt, daß in ihren schärfsten Gegensätzen (in den zwei Rissen der Christenheit, wie in ihnen der jüdisch-christliche Ur-Riß weiterwirkt) — daß in scheinbar unheilvollen Rissen tiefer das endzeitliche „Heil der Fülle“ sich adventlich bereitet.

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