furche 14/2004 seite 10

Mel Gibsons "Passion": Gottesbild entstellt?

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Eine Podiums-Diskussion anlässlich des Österreich-Starts von Mel Gibsons "Die Passion Christi".

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Eine Podiums-Diskussion anlässlich des Österreich-Starts von Mel Gibsons "Die Passion Christi".

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Kurz nach dem Start von Mel Gibsons "Die Passion Christi" luden FURCHE, Katholische Aktion, Evangelische Akademie und Christlich-jüdischer Koordinierungsausschuss ins Wiener Albert-Schweitzer-Haus: Richard Ames (jüdischer Kantor, Vizepräsident des Koordinierungsausschusses-Ausschusses), Michael Bünker (evangelischer Oberkirchenrat), Birgit Flos (Filmhistorikerin), Helmut Krätzl (Wiener Weihbischof), Claus Hhilipp (Filmkritiker, Der Standard) und ein engagiertes Publikum diskutierten unter der Leitung von Hubert Feichtlbauer. Auszüge aus der Debatte.

Claus Philipp: Der Film rechtfertigt keinen der Superlative, der im Vorfeld bemüht wurde. Er ist für die Kategorie des Actionfilmes, an dem er sich orientiert, flau gemacht und eigentlich vor allem im Bereich des Tons, der offenkundig das Stummfilmelement, das der Film sehr stark hat, abfedern sollte, am aufwendigsten gemacht. Ich habe mit der Zeit ziemliche Aggression in mir aufsteigen gespürt, was mich an einen Kritiker des New Yorker erinnert, der meinte, über Antisemitismus in diesem Film könne man lang diskutieren; aber wenn es sich hier um einen Film handelt, der Glauben vermitteln soll, gehe man mit einer Portion Hass und Aggression aus dem Film heraus. Dieses Gefühl konnte ich teilen.

Bischof Helmut Krätzl: Mel Gibson will, so ist zu hören, mit dem Film die Menschen näher zum Glauben bringen. Ich fürchte, das Gegenteil passiert. Drei Beispiele :
1.) Durch den Film ist man in Versuchung, wieder in den alten Fehler zu verfallen, an einen blutrünstigen Gott zu glauben, der wegen der vielen Sünden das größte Opfer überhaupt braucht: seinen Sohn. Daher muss so viel Blut fließen. So hat man das Gefühl: Kann Gott nicht anders besänftigt werden, nicht anders erlösen als durch ein furchtbares Zulassen oder gar Wünschen dieses Blutopfers?
2.) ist Christus in einer sehr verkürzten Weise dargestellt. Er ist ja keineswegs nur der Leidende, sondern auch der Auferweckte. Ganz am Schluss, wenn man von dem, was man erlebt hat, noch geschockt ist, kommt eine ganz kurze, biblisch gar nicht günstig dargestellte Szene von der Auferstehung. Es bleibt der blutüberströmte Jesus, kaum der Auferstandene.
3.) halte ich die wiederholte Umblendung des Kreuzesopfers aufs Abendmahl (also auf die Messe) für gefährlich, weil dadurch der Eindruck entsteht, die Messe sei bloß die unblutige Erneuerung dieses blutigen Opfers - doch sie ist ja viel mehr: natürlich ein Gedächtnis an Jesu Tod, aber auch an seine Auferstehung, eine Vorwegnahme des Mahles, das uns die Wiederkunft des Herrn voraussagt. Diese Fragen sind ganz wichtig: Der Film ist angetan, den Glauben zu stören, das Gottesbild zu entstellen, das Christusbild zu verkürzen, Aussagen über die Messe einseitig darzustellen.

Birgit Flos: Der Film ist ein sehr mittelmäßiger Actionfilm, protzig, sehr laut. Ich befinde mich in einem Dilemma, weil ich über religiös-ethische Fragen lieber anhand von Filmen sprechen würde, die differenzierter argumentieren - etwa jene von Lars von Trier. Ich finde den Film von den Gewaltszenen her nicht besonders schockierend, sondern in der konventionellen Hollywood-Filmsprache so produziert, dass man vor Schock- und vor Überwältigungsstrategien jeweils die Augen zumacht, um das wirklich Schreckliche zu sehen - da ist dann aber nichts außer einem lauten Ton.
Von der Erzählung her finde ich es durchaus interessant, die Menschwerdung des Jesus von Nazaret wörtlich zu nehmen - "gekreuzigt, gestorben und begraben"; auch in der Bibel steht nur lapidar "gekreuzigt": Dass das ein Bildermacher einmal wörtlich nimmt, und diese Foltermethoden ausbuchstabiert, ist an sich nicht so verwerflich. Unangenehm ist mir dagegen, in diesem Hype zu sein, den dieser mittelmäßige Film ausgelöst hat.

Michael Bünker: Es ist ja nicht der erste Jesus-Film, über den kontrovers diskutiert wird. Schon "Der Galiläer" 1921 - an den Mel Gibson bewusst anschließt - wurde ja sehr kontrovers diskutiert.
Es sind immer die gleichen Themen: Wie lässt sich das, was Christen als Erlösungswerk verstehen, im Film darstellen? Lässt es sich überhaupt darstellen? Es gab gravierende Stimmen, die meinten, das sollte überhaupt nicht verfilmt werden; man erinnere sich an die Scheu, die William Wyler noch 1959 in "Ben Hur" hatte - er zeigte Jesus nie von vorne! Weiters: Was bedeutet es - nach 2000 Jahren einer Missbrauchsgeschichte der Passion durch christlichen Antijudaismus - so zu tun, als würde man einfach nur den biblischen Bericht abfilmen? Ein drittes ist die Frage, wie es denn mit der Darstellung von Gewalt im Film, besonders im Hinblick auf eine Erlöserfigur steht.
Als Film ist Gibsons "Passion" nicht originell. Er täuscht eine Historizität vor - etwa durch die Sprachen - die nicht gegeben ist. Der Film ist anderen Quellen mehr verpflichtet als der Bibel. Und in der Ausdehnung der Gewaltszenen ist er streckenweise widerwärtig.

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