Johann Baptist Metz - © Foto: B Friedrich/Ullstein Bild/picturedesk.com

Leidenschaftlicher Gottsucher

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Wortgewaltiger Theologe und brillanter Zeitdiagnostiker: zum Tod von Johann Baptist Metz.

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Wortgewaltiger Theologe und brillanter Zeitdiagnostiker: zum Tod von Johann Baptist Metz.

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Er fehlt. Schmerzlich. Und das schon länger. Denn bereits seit mehreren Jahren war es still um Johann Baptist Metz geworden. Bis jetzt, aus Anlass seines Todes im 92. Lebensjahr, journalistische wie theologische Nachrufer bei Durchsicht ihrer Archive und Bücherregale entdecken, wie sehr die Stimme des großen, wortgewaltigen Theologen und brillanten Zeitdiagnostikers in den gesellschaftspolitischen wie innerkirchlichen Debatten fehlt. Von ihm stammen so schillernde Begriffe wie die Rede von der „Autorität der Leidenden“, die Diagnose einer tief wurzelnden „Gotteskrise“, die Warnung vor einer „religionsfreundlichen Gottlosigkeit“ und der Aufruf zu einer „Mystik der offenen Augen“. Auch war er der Erste, der die christliche Theologie mit Auschwitz und der sich daran in vormals nicht gekannter Schärfe entzündenden Theodizeefrage konfrontierte.

Nur mehr vereinzelt hatte sich der 1928 in der Oberpfalz geborene Metz aus seiner Wahlheimat Münster, wo er über 30 Jahre gelehrt hat, in den letzten Jahren etwa zu kirchlichen Reformfragen zu Wort gemeldet. Vielleicht ist sie auch vorbei, die Zeit der großen Einsprüche, die weit über eine kirchliche Öffentlichkeit hinaus in gesellschaftliche Diskurse hineinwirken. Dabei hätte die von ihm vor allem in Auseinandersetzung mit den Vordenkern der Frankfurter Schule, mit Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Jürgen Habermas, entwickelte „Neue Politische Theologie“ tatsächlich das Zeug, heute manche lähmende Reformdebatte zu beleben oder auch die erdrückende Apathie, mit der die christlichen Kirchen vor den Scherben ihrer vormals volkskirchlichen Bürgerlichkeit stehen, zu verblasen.

Stachel im Fleisch universitärer Theologie

Denn Metz’ Theologie möchte nichts anderes sein als „Theologie der Welt“, wie er schon in einer seiner wichtigsten und frühesten Programmschriften festhielt: „In ihr wird Welt primär als gesellschaftliche Mitwelt und Geschichtswelt, Geschichte primär als Endgeschichte, Glaube primär als Hoffnung, Theologie primär als eschatologisch-gesellschaftskritische Theologie sichtbar.“ Wer Gott sagt, muss auch Mensch, muss auch Geschichte sagen und erkennen, dass sich Geschichte nur als Leidensgeschichte und im hoffnungssatten Widerspruch gegen Gott begreifen lässt. Die Theodizee wird bei Metz zwar nicht zu einer Anthropodizee, aber die Frage nach Gott trägt bei ihm stets die Konnotation der Frage „Wo bleibt der Mensch?“

So ist Metz’ Denken bis heute ein Stachel im Fleisch universitärer Theologie, insofern sie sich als Theologie des Protests und des Widerstandes gegen eine aus den Fugen geratene Zeit versteht: Ohne persönliches Engagement, ohne politisch-praktisch werdende Empathie ist der Glaube laut Metz nicht zu haben. Entsprechend wäre eine aktualisierte Neue Politische Theologie hoch an der Zeit, sie könnte etwa die Frage der Schöpfung noch einmal anders, nämlich apokalyptisch angeschärft, in die Klima-Debatte einbringen. Auch täte ein Kraftwort in den Auseinandersetzungen um das Wesen des Menschen und seiner Vulnerabilität am Rande biotechnologischer Manipulationen Not.

Die Tatsache, dass seine Theologie heute so flüchtig erscheint, mag zum Teil der historischen Konstellation der Nachkonzilszeit geschuldet sein. Aber es mag ein Grund auch in der banalen Tatsache liegen, dass die Neue Politische Theologie nie zur Schule wurde. Wenn man dem leidenschaftlichen Gottsucher Metz daher die letzte Ehre erweisen möchte, so bestünde diese wohl zuvorderst im Griff ins Bücherregal. Als Erinnerung an die Zukunft, die das Wort Gott darstellt, die erstritten werden will, und der Kirche nachspüren sollte.

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