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Wenn dem Urlaub der Frust folgt

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Mehr Rechtsschutz für Reisende bringt die Novelle zum Konsumen-tenschutzgesetz, die rechtzeitig zur Sommersaison in Kraft getreten ist.

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Mehr Rechtsschutz für Reisende bringt die Novelle zum Konsumen-tenschutzgesetz, die rechtzeitig zur Sommersaison in Kraft getreten ist.

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Erholen Sie sich zu günstigem Preis unter Palmen am herrlich sonnigen Strand einer unberührten Insel. Sie leben in einem Vier-Sterne-Hotel und lernen bei Ausflügen -die natürlich im Preis inbegriffen sind - die außergewöhnliche Landschaft kennen. Von einem einheimischen Reiseleiter werden Sie am Flughafen abgeholt und begleitet. Zudem erwartet Sie ein reichhaltiges Zusatzangebot ...”

Frau Hertha S. hatte dieses Offert gelesen und war davon begeistert. Doch gleich nach Antritt der Reise ergaben sich die ersten Komplikationen. Das Flugzeug landete verspätet, der Reiseleiter war erst gar nicht erschienen und auch das mühsam per Taxi erreichte Spitzen-Hotel entpuppte sich als letztklassige Absteige. Für-Frau S. kam es noch schlimmer. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr erklärte sich nämlich das Reisebüro für die Beanstandungen nicht zuständig. Es sei bloß Vermittler des Arrangements gewesen; die Kundin möge sich doch an den Veranstalter wenden. Dieser wußte freilich nichts von der Angelegenheit und verweigerte jede Rückzahlung. Frau S. läuft heute noch ihrem Geld nach; vom Reisen hat sie vorerst genug. Die neuen gesetzlichen Regeln können dem Kunden zwar keinen problemlosen Urlaub garantieren, erweitern aber seinen Rechtsschutz.

Rechtzeitig zur Sommersaison sind die mit der Novelle zum Konsu-mentenschutzgesetz (KSchG) eingeführten Bestimmungen über Reiseveranstaltungsverträge in Kraft getreten (1. Mai 1994). Diese Regelungen sollen in Anlehnung an die EU-Richtlinie über Pauschalreisen einerseits den Kunden einen erweiterten Gestaltungsspielraum bieten, andererseits die Veranstalter zur Einhaltung von Fristen und zur Aufklärung der Kunden anhalten. Vorweg soll festgehalten werden, daß die neuen Regeln ausschließlich auf „Reiseveranstaltungen” Anwendung finden. Darunter versteht das KSchG eine Verbindung von zumindest zwei der folgenden Dienstleistungen: Beförderung, Unterbringung, andere touristische Dienstleistungen mit eigenständigem Wert (etwa Besichtigungen mit Führung). Veranstalter ist dabei nur, wer organisierte Reiseleitungen im eigenen Namen nicht nur gelegentlich erbringt. „Nicht nur gelegentlich” darf jedoch nicht mit Gewerbsmäßigkeit gleichgesetzt werden. So ist also ein Unternehmer, der für seine Angestellten eine Reise arrangiert, nicht Veranstalter im Sinne des Gesetzes. Vertragspartner ist somit nur der Reiseveranstalter; gegen den Vermittler hat der Kunde keinen vertraglichen Anspruch.

Besonders geregelt wurde die rechtliche Wirkung allfälliger Preisänderungen. So ist die Erhöhung des im Reisevertrag festgelegten Entgeltes die letzten 20 Tage vor dem vereinbarten Abreisetermin unwirksam. Davor darf eine Preisänderung aber auch nur vereinbart werden, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Preiserhöhung im gegenteiligen Fall auch eine Senkung des Entgelts vorgesehen ist. Dabei muß es sich um amtlich vorgegebene Beträge (das Gesetz nennt Treibstoffkosten, Landegebühren et cetera) handeln.

Ändert der Veranstalter vor der Abreise wesentliche Vertragsbestandteile erheblich (laut Regierungsvorlage liegt eine erhebliche Preiserhöhung ab einer Steigerung von mehr als zehn Prozent vor), so kann der Kunde entweder die Vertragsänderung akzeptieren oder vom Vertrag zurücktreten. Darüber hat der Veranstalter den Reisenden zu belehren. Entscheidet sich der Kunde jedoch nicht umgehend, bleibt er an den Vertrag mit den geänderten Bedingungen gebunden.

Ersatzveranstaltungen

Bemerkenswert sind die vom KSchG dem Reisenden bei Rücktritt vom Vertrag gewährten Gestaltungsrechte. Der Kunde kann nämlich .nicht nur wie bisher den Vertrag rückabwickeln und seine bereits geleisteten Zahlungen fordern. Vielmehr hat er Anspruch auf die Teilnahme an einer gleichwertigen Reise, soweit der Veranstalter zur Erbringung dieser Leistung imstande ist. Gleichwertig ist eine Ersatzveranstaltung dann, wenn der im Reiseprospekt genannte Preis mit dem Preis der ursprünglich angestrebten Veranstaltung übereinstimmt. Der Veranstalter ist dann in der Lage, eine Ersatzreise anzubieten, wenn eine solche im Prospekt aufscheint und noch: nicht ausgebucht ist. Der Kunde kann sich selbstverständlich auch für eine geringerwertige Reise entscheiden. In diesem Fall hat ihm allerdings der Veranstalter die Differenz zur ursprünglich vereinbarten Leistimg zu vergüten. Einen Rechtsanspruch auf die Teilnahme an einer gleichwertigen Reise hat der Kunde auch, wenn der Veranstalter die Tour storniert und den Kunden an diesem Storno kein Verschulden trifft. Wird die Reise vom Veranstalter ohne berechtigten Grund (die Novelle anerkennt als berechtigten Grund bloß höhere Gewalt sowie das Nichterreichen einer dem Kunden bekanntgegebenen Mindestteilnehmerzahl) rückgängig gemacht, kann der Kunde neben seinem Anspruch auf Teilnahme an einer Ersatzreise noch Schadenersatz wegen Nichterfüllung begehren.

Ist der Kunde an der Teilnahme gehindert, kann er ohne Zustimmung des Veranstalters das Ver-tragsverhältnis auf eine andere Person übertragen, sofern diese die Teilnahmebedingungen erfüllt. Davon ist der Veranstalter jedoch binnen angemessener Frist vor dem Abreisetermin zu informieren. Für noch ausständige Entgeltzahlungen haften in diesen Fällen sowohl der Kunde als auch der Erwerber.

Eine problematische Bestimmung enthält die Novelle für den Fall, daß sich Mängel während der Reise ergeben. Diese müssen vom Kunden unverzüglich „einem Repräsentanten des Veranstalters” (im Regelfall dem Reiseleiter) bekanntgegeben werden. Verabsäumt der Kunde diese „Mängelrüge”, beeinträchtigt das zwar nicht seine Gewährleistungsansprüche, kann ihm aber bei allfälligen Schadenersatzforderungen als Mitverschulden angelastet werden. Insbesondere zu dieser Bestimmung wurde berechtigte Kritik laut. Für Jutta Repl von der Arbeiterkammer Wien stellt sich damit für den Reisegast ein beachtliches Beweisproblem: „Nach dem Gesetz hat der Kunde jeden Mangel vor Ort anzugeben. Es wird ihm hinterher kaum möglich sein, seine Beanstandungen zu beweisen. Außerdem ist die Mängelrüge ein typisches Instrument des Gewährleistungsrechts. Wenn sie jedoch auf die Gewährleistung ohnehin keine Auswirkung hat, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftig-keit der Regelung.” mängel während der reise

Der Regelfall für mangelhafte Reiseveranstaltungen wird aber weiterhin der Anspruch auf Preisminderung sein. Laut Ursula Kogler vom Österreichischen Verein für Konsumenteninformation werden Kunden solche Forderungen wie bisher dem Reisebüro mitteilen. Diese hat dann, soweit es nicht selbst die Reise organisiert hat, die Ansprüche an den Veranstalter weiterzuleiten.

Frau S. nützen die neuen Bestimmungen jedoch nichts mehr. Das KSchG normiert nämlich ausdrücklich, daß die Novelle nicht auf Verträge angewendet wird, die vor dem 1. Mai 1994 abgeschlossen wurden.

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