Bodenversiegelung Parkplatz - © Foto: iStock/nonnie192

Bodenschutz: Ein heikles Pflaster

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Der Bodenverbrauch gefährdet die Biodiversität und damit auch die Ernährungssicherheit. Im ersten Quartal 2023 könnte die nationale Bodenschutzstrategie fertiggestellt sein. Über die Kampfzonen in der heimischen Raumordnung.

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Der Bodenverbrauch gefährdet die Biodiversität und damit auch die Ernährungssicherheit. Im ersten Quartal 2023 könnte die nationale Bodenschutzstrategie fertiggestellt sein. Über die Kampfzonen in der heimischen Raumordnung.

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Zweieinhalb Hektar sind die Ambition. So viel Fläche sollte laut türkis-grünem Regierungsprogramm bis 2030 nur neu beansprucht werden – pro Tag. Der jüngste Wert zum Bodenverbrauch liegt bei 11,5 Hektar pro Tag (2020). Die Steiermark allein verbraucht mit 3,3 Hektar mehr als die Regierung bis 2030 anstrebt. Schon vor rund 20 Jahren formulierte die damalige schwarz-blaue Koalition den 2,5-Hektar Zielwert. Im Jahr 2020 verschwanden dennoch 3900 Hektar österreichischer Erde unter neuen Straßen, Häusern, Einkaufscentern, Kraftwerksanlagen usw. Rund 40 Prozent davon wurden versiegelt.

Versiegelte Flächen können kein Wasser aufnehmen – etwa bei Starkregenereignissen, wie sie im vergangenen Sommer zu sehen waren. Sie heizen sich rascher und stärker auf. Insekten und Bodentiere finden keinen Lebensraum mehr, was die Biodiversität weiter beeinträchtigt und damit auch die Ernährungssicherheit gefährdet.

Arthur Kanonier kennt die Probleme in der heimischen Raumordnung wie kaum ein anderer. Er leitet den Forschungsbereich Bodenmanagement und Bodenpolitik an der Technischen Universität Wien. „Man müsste Grünlandfunktionen benennen, den Flächen ein eindeutiges öffentliches Interesse zuordnen und diese entsprechend schützen,“ erläutert Kanonier. Seit Oktober 2021 verhandeln die Vertreter der Raumordnungskonferenz (ÖROK) über eine nationale Bodenschutzstrategie. Die Arbeit sei auf fachlicher Ebene bereits weit fortgeschritten, lässt das mit der Koordination beauftragte Landwirtschaftsministerium wissen: Im ersten Quartal 2023 könnte die Strategie, in die auch Kanonier seine Expertise eingebracht hat, fertiggestellt sein.

Siedlungsgrenzen fixieren

Der Experte nennt vier effektive Hebel: hochwertige Grünräume schützen, die Zersiedelung eindämmen, Zentren effizient entwickeln sowie Entscheidungsträger und Bevölkerung aufklären. Der erste Schritt sei die Definition „essenzieller Grünlandflächen“: für den Erhalt der Biodiversität und Ernährungssicherheit, für die Anpassung an Klimafolgen sowie für den Schutz vor Naturgefahren. Eine der besten Maßnahmen gegen ausufernd versiegelte Ortsränder sei, Siedlungsgrenzen festzulegen. Brachflächen-Management und die Entwicklung von Leerständen müsse man aber ebenso bespielen, sagt Kanonier.

Rund 40.000 Hektar an Gewerbeflächen, Häusern und Industriegebäuden liegen brach. Eine hohe Zahl, die auf Schätzungen von 2017 basiert. Es gibt dafür keine einheitliche Datenbasis, nur einen „Fleckerlteppich“ an Landesdatenbanken. Langsam nimmt sich die Bundespolitik des Themas an. Im Rahmen eines Brachflächen-Dialoges des Klimaministeriums wurden im September erstmals Experten mit Politikern vernetzt. In einer neuen Förderschiene sollen zudem rund acht Millionen Euro aus dem EU-Aufbau- und Resilienzplan an Personen und Unternehmen fließen, die zentral gelegene Brachen wieder nutzen wollen. Die Fördergrenzen für einzelne Maßnahmen bleiben niedrig, die Nachfrage – zumindest Stand jetzt – ebenso. Bayern fördert da mit bis zu 90 Prozent der Kosten viel großzügiger. Auch Entsieglungsprojekte werden dort finanziell stark unterstützt. Hierzulande liegt das Thema Entsiegelung brach. Finanzielle Anreize wären sinnvoll, meint Arthur Kanonier.

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