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Lügen in der gesundheitspolitischen Debatte

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Lüge Nummer eins: Das LKF-Sy-stem löst das wahre prorlem Das wahre Problem im österreichischen Gesundheitswesen besteht nicht darin, daß nach Pflegetagen anstatt nach Diagnosen bezahlt wird, sondern vielmehr, daß allen Krankenhäusern in Österreich ein Defizit aufgezwungen wird. Wie soll vernünftiges Wirtschaften möglich sein, wenn ma;i unabhängig von den Kosten nur 60 Prozent bezahlt bekommt. Das neue LKF-System soll an dieser Unsinnigkeit nichts ändern, denn nur die Gelder der Gebietskrankenkasse und des KRAZAFs, also jene, die bisher ungefähr 40 bis 60 Prozent der Kosten abdecken, werden nach dem neuen System in Wien ausgeschüttet. Es bleibt daher nach wie vor die Betriebsabgangsdeckung, die dazu noch einen Selbstbehalt bei den gemeinnützigen privaten Spitälern vorsieht. Das wahre Problem, daß es keinen fairen Preis für Krankenhausleistungen gibt, der die Spitäler zwingt, Leistungen zu vernünftigen Kosten anzubieten, bleibt ungelöst.

Lüge Nummer zwei: Das LKF-System senkt die Kosten

Das LKF-System wurde ursprünglich in den USA entwickelt und bereits in vielen Ländern eingesetzt. Erfahrungen in den Vereinigten Staaten haben gezeigt, daß das LKF-System der medizinischen und wirtschaftlichen Realität zwar näher kommt, daß aber eine Kostensenkung nicht stattfand. Was durch eine verringerte Verweildauer gewonnen wurde, wurde durch erhöhte Aufnahmen ausgeglichen. Aus diesem Grund ist man in Amerika bereits t von LKF-System mehr oder weniger abgegangen und forciert nun Managed Care. Die österreichische Version des LKF-Systems wird von vorneherein keine Kosten senken, da die alte Betriebsabgangsdeckung im Prinzip beibehalten wird. Aufgrund der erschwerten Verrechnung und eines erhöhten Arbeitsaufwands auf seiten der Verwaltung und der Arzte ist zu erwarten, daß die Einführung dieses Systems sogar zu einem Kostenschub führen wird.

Lüge Nummer drei-. Es gibt ein Spitalsdefizit

Spitäler sind bedarfswirtschaftlich orientiert, wobei das mögliche Angebot fast grenzenlos gestaltet werden kann. Es bedarf also einer gesundheitspolitischen Entscheidung, wieviel Gesundheitsleistung man sich leisten will und kann. Dies gilt ebenso für Hochschulen, Bundesheer, Polizei oder Schulwesen, von denen niemand behauptet, daß sie Defizitbetriebe sind. Im Gegensatz zum Gesundheitswesen verlangt man von Schulen und Bundesheer nicht, daß Angestellte vom Staat erzwungene Defizite abdecken. Dies ist sehr wohl im Spitalswesen der Fall, wo geistliche Schwestern öffentlicher Krankenhäuser mit ihrem Gehalt das erzwungene Defizit abdecken.

Lüge Nummer vier: Es gibt eine Kostenexplosion

Solange Zulieferer und Pharmafir-men einen Profitgewinn von zehn Prozent haben, darf man sich über den jährlichen Kostenanstieg von zehn Prozent nicht wundern. Eine Kostenexplosion im Sinne einer völlig ungehemmten Vermehrung von Krankenhausleistungen ist nicht feststellbar. Nichtsdestotrotz ist aufgrund der internationalen Vergleiche die Spitalshäufigkeit viel zu hoch.

Lüge Nummer fünf: Es gibt Bezahlungsgerechtigkeit

Die Bezahlungsgerechtigkeit im österreichischen Gesundheitssystem spottet jeder Beschreibung. Auf ärztlicher Seite gibt es Berufsgruppen, meistens sind dies die diagnostischen Fächer, die deutlich überbezahlt sind, was die enorme Diagnosemanie in unseren Spitälern erklärt. Andererseits gibt es Fächer, die fast am Hungertuch nagen, wie zum Beispiel die Kinderärzte. Es ist daher immer wieder der Bechtsträger aufgefordert, diese enorme Bezahlungsungerechtigkeit, die offensichtlich von der Ärztekammer nicht behoben wird, auszugleichen.

Lüge Nummer sechs: Die Ärzte sind überarbeitet

Die Ärztekammer - in unheiliger Allianz mit dem Sozialministerium und den Gewerkschaften - versucht ein Ärztearbeitszeitgesetz durchzubringen, dessen hauptsächlicher Sinn es ist, die Überzahl der Ärzte in Spitälern unterzubringen. Doch diese Strategie wird die Spitalskosten weiter in die Höhe treiben und läßt damit Spitalsschließungen wahrscheinlicher werden. In diesem Fall haben die Ärzte überhaupt keine Arbeit mehr, was wahrscheinlich auch nicht erwünscht ist. Die in den Medien berichteten Horrorzahlen stimmen bestenfalls für Peripheriespitäler, denen aber auch kein neues Arbeitsgesetz etwas hilft, weil dort nun einmal sehr wenig Ärzte hingehen. In Wirklichkeit arbeiten die Ärzte zwischen 50 und 60 Stunden pro Woche, was absolut vergleichbar ist mit anderen PVeiberufen wie Rechtsanwalt oder Steuerberater.

Lüge Nummer sieben: Die Gebietskrankenkasse ist eine Krankenver-sicherung

Die Gebietskrankenkasse hat schon längst aufgehört, Krankenversicherung zu sein. Ziel einer Krankenversicherung ist, von Menschen das Erkrankungsrisiko gegen Entgelt zu übernehmen und dafür die finanziellen Kosten einer möglichen Erkrankung zu tragen. Und das ist genau das, was die Gebietskrankenkasse nicht macht. Das Erkrankungsrisiko im stationären Bereich trägt nun der Landesfonds, damit sind die Länder zur wahren Gesundheitsversicherung geworden.

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