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Frauen leben länger

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Es ist ein böses Gerücht und sollte daher auf keinen Fall für die Wahrheit gehalten werden, daß Zebrastreifen, schnelle Autos und Fast food nur erfunden wurden, um die österreichische Sozialversicherung durch Verringerung der statistischen Lebenserwartung zu sanieren. Von einem Erfolg dieser ohnehin nur geargwöhnten Maßnahmen kann ohnehin nicht die Rede sein.

Die Österreicher freuen sich ihres Lebens statistisch 72,5 Jahre, die Österreicherinnen werden hingegen 79,0 Durchschnittsjahre alt. Über die 6,5 Jahre, die unseren Damen mehr an irdischen Freuden gegönnt sind, darf spekuliert oder meditiert werden.

Ist es wirklich der durch _ das niedrigere Pensionsalter der Frauen geringere berufliche Streß, der die Lebenserwartung so fördert? Oder leben Frauen einfach gesünder, weil sie statistisch eher die Laster vermeiden, an denen männliche Gesundheit so oft scheitert? Wie dem auch sei, die Qüotierungs- und Emanzipationsbestrebungen werden die Chancengleichheit der Lebenserwartung beider Geschlechter schon noch hinbringen. Die Zahlen, die dem Stand Ende 1994 entsprechen, stammen vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, über dessen Tempo und Effizienz neuerdings politische Kritik laut wurde. Möglicherweise von einem Österreicher, der lieber mehr als 72,5 Jahre leben möchte.

Daß sich die statistische Lebenserwartung in Österreich verbessert hat und daher kein Grund zur Unzufriedenheit besteht, ist ohnehin bekannt. Aber der Vergleich der Statistik in der EU, in der ja eigentlich alles gleich und kompatibel sein sollte, löst doch manch makabres Kopfschütteln aus.

Hier die Durchschnitte, ermittelt von den amtlichen Statistikern in Wiesbaden: 73,2 Jahre kann der EU-Mann erwarten, 79,6 Jahre die EU-Frau. Macht 6,4 Jahre Frauen-Vorteil, ein bisserl weniger als in Österreich -und gleichzeitig der Reweis dafür, daß der Geschlechter-Unterschied ein europäisches Merkmal ist.

Die statistischen 80 Jahre sind eine Art magische Marke. Wer überspringt den Rekord? Merkt es, ihr Männer, die den Charme der Französinnen schätzen: die Damen werden statistisch 81,8 Jahre alt und erreichen damit den europäischen Spitzenwert.

Es sollte uns Österreicher nicht allzusehr betrüben, aber doch interessieren, daß bei unseren Nachbarn das Lebenslicht ein wenig länger brennt. Deutsche Männer werden 72,8 Jahre, deutsche Frauen 79,3 Jahre alt.

Die Skepsis gegenüber der Statistik ist natürlich auch hier angebracht. Aber gegenüber Markt- und Meinungsforschungen, die doch recht relativ differieren können, ist der Tod eine ziemlich klare Sache. Es ist nicht Gefühlssache oder Modetrend, in welchem Alter der finstere Gevatter anklopft, den der alpenländische Volksmund so freundlich Boanlkra-mer nennt.

Die Sanduhr als sein Attribut ist dem Computer durchaus kompatibel. Wer Geburtstags-Feiern liebt und ausgiebig zelebriert, der sollte sich seine Erwartungs-Marke einprägen, je nachdem ob er sich mehr als Österreicher oder als EU-Bürger fühlt. Anlaß zur wahren Freude im Übertrumpfen der Statistik besteht beim Überschreiten der jeweiligen Marke. Denn die Freiheit in unserer Demokratie besteht ja darin, daß wir nicht -wie es zum Beispiel Franz Werfel im „Stern der Ungeborenen” schildert - zur freiwilligen Auslöschung antreten müssen.

Und auch darin, daß unsere Sozialversicherung zwar jammert, die Gesetze novellieren läßt und die Beiträge erhöhen will, aber keinem von uns je den Vorwurf macht, er liege überm Erwartungs-Limit. Irgendwie, bei allem Vorbehalt gegen die Institutionen, finde ich das rührend.

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