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Streb, lab nach!

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Es läßt mich nicht mehr los, ich kaue jetzt schon Wochen daran herum: Die Lebenserwartung von Männern und Frauen zeigt eine fürchterliche Diskrepanz. Männer sterben im Durchschnitt sieben Jahre früher als Frauen. Sieben Jahre! Wer hätte gedacht, daß hier solch eine (Grabes-) Lücke klafft?

Ich erinnere mich noch gut des Ausrufs meines Partners, der mich damit vor den Fernsehapparat zitierte, als ein TV-Gesundheitspapst gerade jene vernichtenden Daten bekanntgab: Daß die armen Mannsbilder es häufiger mit den Kreislaufkollapsen hätten, daß Krebs sich insgesamt gesehen zwar verblüffend geschlechtsneutral verhalte - außer bei Lungenkrebs (mehr männliche Aspiranten) und natürlich Gebärmutterkrebs —, aber schon die Selbstmordgefahr wieder stärker der männlichen Seite drohe.

Ich wollte gerade zu einem völlig subjektiv gefärbten Ausbruch anheben, Motto: Schadenfreude ist die schönste Freude, als mir die Worte im Hals steckenblieben. Zeigte mir das TV-Bild doch eine Runde von, jawohl, Expertinnen, die als Ärztin, Psychologin, Therapeutin und Wasweißichnoch nun minutenlang nichts Besseres zu tun hatten, als gramgebeugt darüber nachzusinnen, wie dieser Unterschied wieder auszumerzen wäre.

So, und jetzt reicht's mir! Ausgerechnet Frauen zerbrechen sich den Kopf darüber, wie hier dem armen Manne zu helfen wäre. Das nenne ich verqueres Emanzipationsgetue. Laßt uns doch diesen kleinen Vorsprung!

Allerdings, das muß ich kleinlaut zugeben, stehe ich ab sofort vor einem größeren persönlichen Problem. Als ich mir vor zehn Jahren einen Partner ausguckte, da hatte die Statistik exakt vier Jahre längeres Leben für uns Frauen berechnet. Was tat ich kluge Frau? In seltener Symbiose aus Gefühl und Berechnung erwählte ich mir einen vier Jahre jüngeren Mann — wer will schließlich gern Witwe werden? Und nun diese persönliche Tragik!

Oder habe ich doch noch Möglichkeiten? An den fehlenden Jährchen sollte doch zu manipulieren sein.

Mal sehen, was auf der Habenseite meines Schatzes steht: Er raucht nicht — wie gut, das hebt die Jährchen; er ist aber zeitweise Streß ausgesetzt, wenn ich ihn nachts nicht einschlafen lasse zwecks Besprechung meiner Berufsproblemstrategien — macht minus ..., aber wie viele Jahre?

Es gibt aber noch eine Alternative. Ich selbst baue die drei Jährchen ab. Es bestehen, glaubt man den Auguren, dafür gute Aussichten für uns berufstätige Frauen, bei Herzinfarkten aufzuholen. Oder fange ich doch wieder mit zwei Zigaretten pro Tag an?

Drei dumme Jahre! Und ich war schon so stolz auf meine Vorsicht!

Vielleicht einigen wir uns auf eins Komma fünf plus für ihn und eins Komma fünf minus für mich? Dazu genügt vielleicht, wenn wir endlich anfangen, auch unsere überlieferten Rollenklischees wie anständige Ehepaare zu entdek-ken, indem ich unseren Konflikt, wer von uns beiden denn die Geschirrspülmaschine ausräumt, nur etwas ausbaue?

(Karikatur Koch, Süddt. Ztg.)

Apropos ausbauen: Das träfe auch auf das Schwiegermutter -syndrom zu — halt, das ist zu riskant, das gibt gleich drei Jahre minus für jeden.

Mir raucht schon der Kopf, ich brauche ein ausgefeiltes Computerprogramm. War das keine Marktlücke, so wie beim Zykluscomputer? So ein Tastengerät-chen für die Mann/Frau-Lebenserwartungshochrechnung?

Man gibt jeden Abend die zuviel gesündigten Kalorien ein, dazu die Anzahl der Zigaretten, den geschätzten Streßfaktor — unsicherer als das mit den fruchtbaren Tagen kann es auch nicht sein.

Sieben Jahre Unterschied zwischen Mann und Frau. Sieben Jahre? Da ist ja noch etwas, ein kleines, aber nicht unbedeutendes x: Sieben Jahre sagt die Statistik. Mir läuft es kalt über den Rücken — schließlich habe ich selbst schon genügend Statistiken gefäl-, par-don, ab- und aufgerundet. Was ist, wenn es gar nicht sieben Jahre geradeaus, sondern vielleicht 6,7 oder 7,2 sind?

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