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In Salzburg sind einige katholische Schulen am „Marchtaler Plan" orientiert, einem explizit christlichen Erziehungsund Bildungsmodell.

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In Salzburg sind einige katholische Schulen am „Marchtaler Plan" orientiert, einem explizit christlichen Erziehungsund Bildungsmodell.

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Der „Marchtaler Plan" ist der Erziehungs- und Bildungsplan der katholischen freien Schulen der deutschen Diözese Rottenburg-Stuttgart. Im Zentrum steht die Persönlichkeit des Kindes in der Sicht eines explizit christlichen Menschenbildes. Pädagoginnen und Pädagogen an katholischen Privatschulen der Erzdiözese Salzburg ist der „Marchtaler Plan" immer wieder Anregung und Beispiel für die Weiterentwicklung des je eigenen Schulprofils.

Hundertfünfzig Lehrerinnen und Lehrer an katholischen Privatschulen in der Erzdiözese Salzburg haben in den letzten fünf Jahren bei Exkursionen Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart besucht", erzählt Josef Rupprechter vom „Referat für katholische Privatschulen" der Erzdiözese Salzburg. Immer wieder gestaunt hätten sie über die „Kinder und Jugendlichen, die mit unterschiedlichsten, liebevoll vorbereiteten Materialien selbständig arbeiten, die miteinander - aber auch mit den Unterrichtsmitteln - relativ behutsam umgehen, und die ohne Druck von außen konzentriert lernen."

Was ist das Besondere am „Marchtaler Plan"? (Der Name geht auf den Entstehungsort, das ehemalige Prämonstratenserstift und heutige Bildungshaus Obermarchtal - etwa auf der Höhe von Augsburg - zurück.) Die vier Pfeiler des „Marchtaler Planes" sind: der „Morgenkreis", die „Freie Stillarbeit", der „Fachunterricht" und das „Vernetzte Lernen".

Die theologische Basis, das „christliche Menschenbild", kommt besonders im „Morgenkreis" zum Tragen: „Jeder einzelne Mensch als Geschöpf und Ebenbild Gottes ist von ungeheurem Wert und hoher Würde." Als „ geschützte Aussprachemöglichkeit" biete der „Morgenkreis", jeden Montag in der ersten Stunde, den Kindern und Jugendlichen Gelegenheit, über Sorgen und Probleme, aber auch über positiv Bewegendes sowie über schulische Pläne für die neue Woche zu sprechen. Zusammen mit „Übungen zur Stille" bilde dieses bewußte „Wieder-Zusammenkom-men" nach dem Wochenende, die Basis für den Unterricht.

Der „Morgenkreis" gehört zu jenen Elementen des „Marchtaler Planes" , die bereits auch an einzelnen katholischen Privatschulen der Erzdiözese Salzburg realisiert werden: Die Lehrerschaft am „Erzbischöflichen Kollegium Borromäum" habe etwa im Jahr 1992 beschlossen, in den Unterstufenklassen den „Morgenkreis" quasi „als neues Fach" einzuführen, erzählt Josef Bupprechter.

Auch Pater Johannes Perkmann OSB, Lehrer an der Privaten Hauptschule des Benediktinerstiftes Michaelbeuern (nahe der Stadt Salzburg), berichtet von der Einführung des Pilot-Projektes „Morgenkreis" in den vierten Klassen mit Schulanfang 1996. „Die Lehrer machen erstaunlich gut mit, nehmen den vermehrten Vorbereitungsaufwand", so Pater Johannes, „bisher gerne in Kauf." Ab nächstem Schuljahr soll der „Morgenkreis" in allen Klassen eingeführt wrerden. „Auch den Eltern war dieser Gedanke sehr gut zu vermitteln", berichtet Pater Johannes.

„Freie Stillarbeit" heißen im „Marchtaler Plan" jene Stunden, in denen die Schüler mit vorbereitetem Material selbständig arbeiten. Auch damit würde in Ansätzen, etwa am Salzburger „Borromäum", bereits gearbeitet, erzählt Josef Rupprechter: Zur Zeit etwa laufe in der zweiten Klasse (mit Zustimmung des Landes-schulrates) der Versuch, einen Monat lang fünf bis sechs Schulstunden pro Woche der freien Stillarbeit zu widmen. In Michaelbeuern sei laut Pater Johannes als erster Versuch in Sachen „Freie Stillarbeit" Arbeitsmaterial für zwei Lern-Epochen im Fach Geschichte erstellt worden.

In der Vollform des „Marchtaler Planes" werden Mathematik, Englisch und Sport (je nach Bedarf auch Kunst, Musik, Werken und Hauswirtschaft) im klassischen Fachunterricht vermittelt. Die anderen Fächer sind im „Vernetzten Unterricht", in fächerübergreifenden Lehrplan-Einheiten, zusammengefaßt. Ein Beispiel sei die Einheit „Rom": Ausgehend von der Geschichte des römischen Reiches (Aufstieg, Christenverfolgungen, Untergang), kommen folgende Themen zur Sprache: römische Zahlen, römische Baukunst, römische Zeugnisse in unserer Heimat, Orientierung im Mittelmeerraum, Fremdwörter/Lehnwörter, Bom als Mitte der katholischen Welt (Apg. 1,8; Verbreitung des Christentums, Petrus und Paulus in Bom).

Die Kinder sammeln alles, was sie zu einemT'hema erarbeiten, in Mappen: Eindrucksvolle Beispiele meist1 liebevoll selbst gebundene Material-Bücher gibt es dann für die Besucher zu bestaunen. Josef Rupprechter: „Im vernetzten Unterricht wird also ein großes Thema von möglichst vielen verschiedenen

Seiten aus beleuchtet. Darum bleibt man auch soweit als möglich dem Klassenlehrersystem verbunden. Das ist natürlich eine Horror-Vorstellung für unsere Schulbehörden."

„Vernetzten Unterricht gibt es bei uns noch nicht", bestätigt auch Pater Johannes vom Kloster Michaelbeuern. „Die Iehrer ersuchen aber immer wieder, gleiche Inhalte zur gleichen Zeit zu unterrichten, die Reformation' etwa in Religion und Geschichte gleichzeitig zu behandeln.

Auf diözesaner Ebene wurde in Salzburg bereits eine AG-Marchtal gegründet. Regelmäßig veranstaltet das „Referat für Katholische Privatschulen" Exkursionen zu Schulen der Diözese Rottenburg-Stuttgart, in den Sommerferien wird ein Marchtal-Seminar angeboten, in welchem fächerübergreifende Arbeitsmaterialien vorbereitet werden.

„Natürlich muß man das Gesamtkonzept sehen. Wenn das Ganze nicht zusammenpaßt, werden auch Einzelelemente nicht den ganzen Erfolg bringen", betont Josef Rupprechter. „Wenn nicht alle Lehrer an der Schule im Sinne des christlichen Menschenbildes erzieherisch wirken, ist auch der Morgenkreis sinnlos. Ich halte es aber für gescheit, daß die katholischen Privatschulen sich dadurch auszeichnen wollen, daß wir uns Zeit nehmen für die Kinder, Zeit nehmen für ihre Sorgen und Freuden."

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