6675450-1961_19_07.jpg
Digital In Arbeit

Mein „teurer“ Herr Sohn

Werbung
Werbung
Werbung

Erfahrungsgemäß betragen die Ausbildungskosten eines Mittelschülers der Oberstufe tjhne zusätzliche Ausbildung (wie Musik, Fremdsprachen und so weiter) mindestens das Fünfundzwanzigfache des Schulgeldes einer öffentlichen Anstalt. Die an eine Relation zum Einkommen des Schülererhalters gebundene Schulgeldermäßigung wirkt demgegenüber also wie eine Farce.

Wie setzen sich diese Ausbildungskosten zusammen? In einem Falle so: Schulgeld 3,5%, Bücher unter Benützung der Schülerlade 4%, Lern- behelfe 8%, Schwimmsport als einzige Ausgleichsbeschäftigung außerhalb der Schule 6%, Fahrtkosten 8%, von Lehrkräften vielfach empfohlene und daher unausweichliche Nachhilfe 27%, Elternverein 1,5%, Klassenkassä 2%, Spenden 4%, Ausflüge 16%, Skikurs 20%. In dieser Gegenüberstellung sind also keine Kosten von Nebenausbildung, Kleidung, Ernährung, Erholung, Krankheiten, Vergnügungen, Geschenken usw. enthalten, die bei einer Gesamtaufstellung der Kosten eines Schulkindes hinzuzurechnen wären.

Die Ausbildungskosten allein also betragen beispielsweise bei zwei Schulkindern, die altersmäßig in der Regel nicht weit auseinanderliegen und bei statistischen Erhebungen im Rahmen einer vierköpfigen Familie meist als Norm gelten, wenigstens 5000 S im Jahr, ein Betrag, der beispielsweise bei einem Einkommen von 80% der öffentlich Bediensteten in der durchschnittlichen Höhe von S 20%, bei einem doppelt so hohen Einkommen aber, das nur wenige Beamte mit Schulkindern der gegenständlichen Altersklassen beziehen, immerhin noch sehr fühlbare 10% ausmacht. Warum hier gerade das Beispiel der Beamtenkinder gewählt wird? Ja, sollen denn die Beamten oder überhaupt die öffentlich Bediensteten, von deren Gehalt ein Siebentel der österreichischen Bevölkerung lebt und die bei ihren Kindern vielleicht die Bildungsmöglichkeit der Mittelschule am meisten bevorzugen, zumal diese auch meist günstige Anlagen dafür mitbringen, wegen ihrer finanziellen Schwäche auf dieses Bildungsmittel bei ihren Kindern verzichten? Es darf also wohl schon mit Rücksicht auf diese Bevölkerungsgruppe die Forderung nach größter Bescheidenheit und Zurückhaltung in den finanziellen Anforderungen der Schule erhoben werden. Wie aber kann die finanzielle Last der Schülererhalter durch die Schule fühlbar erleichtert Demgegenüber mußte an diesem Tag im Haushalt für die Ernährung der Familie zufälligerweise nur 3.30 S für Milch ausgegeben weiden. Dieses Verhältnis ist gewiß ein Zufall, aber es fiel auf, sehr nachhaltig sogar. Ja, was sollen diese „Extras“ eigentlich: Klassenkassa, Elternverein, Kranzspende, Jugendrotkreuz … ? Sie reizten zum Nachdenken.

Englische Zeitungen müssen wohl als wertvolles Bildungsmittel angesehen werden und sind daher zu bejahen. Die selbstverständliche Forderung, daß durch geeignete Zusammenfassung von nahe beisammen wohnenden Schülerinnen der Bezugspreis für die einzelne möglichst niedrig gehalten wird, dürfte dabei erfüllt worden sein. Ebenso muß auch der Schwimmsport als im Vergleich zu seinen Kosten preiswerte Körperbildung unbedingt bejaht werden.

Wie steht es aber mit den anderen Posten?

Unter sanftem Druck

Wozu soll beispielsweise die Zwangsorganisation, der Elternveroin, der kein Schülererhalter fernzubleibvn wagen kann, gut sein? Nach der Erfahrung des Verfassers werden dis, Versammlungen dieses Vereins vor. wiegend dazu einberufen, um von den Schülereltern eine Geldzusage zu erhalten. Wer traut sich da schon dagegen zu stimmen?

Als Zweck der Klassenkassa anderseits wird meist die Anregung des „Sparsinns“ des Kindes vorgegeben. Wer kann diese Begründung ernst nehmen? Haben denn die Kinder, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein eigenes Einkommen oder werden nicht vielmehr die sogenannten Spargroschen dem Familienerhalter abgeknöpft?

Mitgliedsbeiträge für an der Schule etablierte Vereine (zum Beispiel Jugendrotkreuz), Abonnementsbeiträge und so weiter, einzuheben, ist dies wirklich eine Aufgabe der Schule? Und erst Spenden! Manchmal ergibt es sich, daß der Familienerhalter an seiner Arbeitsstätte, dann auf der Straße, gelegentlich einer Haussammlung und schließlich durch seine Kinder für denselben Zweck um eine Spende angesprochen wird. Ist dies nicht doch zuviel?

Ein weiteres, finanziell noch viel einschneidenderes Kapitel betrifft die Schulausflüge, die heute vielfach keine Wanderungen zur Körperertüchtigung und zum Kennenlernen der Heimat mehr sind, sondern als Vergnügungsreisen aufgefaßt werden, ferner die Handfertigkeitskurse (zum Beispiel Kochkurse) in einer auf Geistes- und Körperbildung abgestellten Mittelschule (!), die meist einwöchigen Skikurse, die Landschulwochen, die Klas-senreisen in der Oberstufe und schließlich die oft an globale Expeditionen erinnernden Maturareisen.

Hinsichtlich der Schulausflüge zum Beispiel darf gefragt werden: Wie viele Maturanten kennen heute eigentlich ihre Heimat? Was soll einmal von dem Urteil eines Menschen gehalten werden, der seine Heimat nicht kennt, dafür aber glaubt, aus den Vergnügungsreisen der Schulzeit in das nähere oder fernere Ausland, von denen bei ihm vielleicht nicht einmal die Namen der besuchten Orte hängengeblieben sind, und darüber hinaus aus den schlechten Filmen und billigen Schundromanen genügend „Weltkenntnis“ erworben zu haben?

Handfertigkeitskurse anderseits gehören wohl in eine Schulgattung, die die Handfertigkeit als Lehrziel aufgenommen hat. Was soll schon ein Mädchen mit den Kochkenntnissen anfangen, die es in einem Realgymnasium gelernt hat? Heiratet es, dann wird es sich wohl in erster Linie auf sein Geschick und die von seiner Mutter übernommenen praktischen Kenntnisse stützen, will es aber Kochkenntnisse im Gastgewerbe verwerten, dann wird eine ordentliche Kochschule vorher unentbehrlich sein.

Trockenski in Wien?

Skikurse wieder können nützlich sein, wo der Skisport ein bodenständiger Sport ist, keineswegs zum Beispiel in Wien, in dessen näheren Umkreis eine ordentliche Ausübung dieses Sports ohnehin nicht möglich ist. Jedenfalls ist ein wirkliches Erlernen dieses schweren Sports erfahrungsgemäß nur dann möglich, wenn die Zeit und die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, wenigstens mehrmals im Winter Skitouren zu unternehmen. Mit den Skitouren ist in der Regel außer den heute ganz beträchtlichen Kosten aber auch eine längere Abwesenheit des Kindes von der Wohnung der Eltern verbunden, die, wenn sie sozusagen dekretiert wird, gegen das natürliche Elternrecht der Erziehung der Kinder verstößt. Nach Auffassung des Verfassers ist der Skiunterricht daher weniger Aufgabe der Schule, sondern sollte dem freien Ermessen des Schülererhalters überlassen bleiben, dem über die verschiedenen Sportvereinigungen zahlreiche Möglichkeiten dafür zur Verfügung stehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung