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Tips für Pädagogen

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Ein besonders angriffslustdger Doktor Alois Mock, Exuntemchtsmini-ster, Mitte der Dreißig, und derzeit inoffizieller Schattenminister der geteilten Ressorts Unterricht und Wissenschaft/Kunst, präsentierte vergangenen Donnerstag im Rahmen eines Pressegespräches ein Elaborat ,3üdungs-Grundlage der freien Gesellschaftsordnung“, das vom Arbeitsausschuß dar Osterreichischen Volkpartei für „Unterricht, Forschung und Kunst“ erarbeitet worden war. Ais Einleitung und in Zusammenhang mit Fragen nach der Hochschulreform griff Doktor Mock, der allein den vielköpfigen Arbeitsausschuß vertrat, Minister Firmberg heftig an. Vor allem warf der alte Ressortchef seiner Nachfolgerin das Versagen in der Führung der Hochschulkommission vor.

Das vorgelegte Elaborat sei als Diskussionsbasis gedacht, erklärte Mock zum eigentlichen Gegenstand der Präsentation im Kanzlerzimmer der ÖVP-Bundesparteileitung. 3000 bis 5000 Exemplare werden im den nächsten Wochen vor allem innerhalb der Partei zirkulieren und sollen Gegenstand von intensiven Beratungen und Verbesserungen sein. Die redigierte Fassung werde dem Parteitag zur Beschlußfassung vorgelegt, erklärte Mock zur Zukunft des ÖVP-Bildungsprogramms, dessen Werdegang an Vorbilder erinnert. Auf knapp 100 Seiten werden im vorgelegten „Konzept zur Verwirklichung der Bildungsgesellschaft“ teils noch sehr allgemeine Grundlagen, teils aber doch auch sehr konkrete Details zur Bildungsreform dargestellt.

Bei dem Umfang des Programms kommt vieles zu kurz, manches muß oberflächlich bleiben. So •fehlt beispielsweise jeder Hinweis auf Fragen der Managementausbildung, die, wenngleich das Handelsministerium Vorrang beansprucht, ressortmäßig wohl zum Unterricht tendiert. Die Unvollständigkeit scheint den Verfassern bewußt zu sein: die publizierte Diskussionsgrundlage stellt nur den ersten Schritt zur Konkretisierung des auf dem 12. Bundesparteitag am 13. und 14. November 1969 beschlossenen Bildungsprogrammes der österreichischen Volkspartei dar. Man will neben den Entwicklungen von Gesamtreformen, Gesamtkonzeptemi und Gesamtplänen, die oftmals bei endlicher Fertigstellung veraltet sein müssen, Richtlinien für die „Linderung unmittelbarer Nöte“ (wie den Raum- und Ausstattungsbedarf der Hochschulen) vorlegen. Das dies nicht bei allen behandelten Themen erreicht wird, scheint verständlich. Quantitative Angaben, wie beispielsweise die Festlegung eines bestimmten Anteils der Forschungs-ausgaben am Bruttonationalprodukt (1,5 bis 2 Prozent als Ziel) wechseln mit oft allzu unbestimmten Forderungen, wie der Feststellung, „Hochschuldidaktische Maßnahmen zur Steigerung der Lehr- und Lernerfolge seien Voraussetzung für die Neu- und Bessergestaltung der Studien“.

Angesichts einer doch weitgehenden Parallelität vieler Grundsätze von ÖVP- und SPÖ-Vorstellungen zur Bildungspolitik, scheint es sinnvoll, die nun neu präsentierten Vorschläge der Vollcspartei auf Unterschiede zum Bilduragsprogiramm der SPÖ zu untersuchen: Im Formalen fällt das völlige Vermeiden von ideologischen und polemischen Redewendungen und Beiwörtern auf, wie sie sich im SPÖ-Programm (Einfluß des VSStö?) in ansehnlicher Zahl finden. Im Materiellen ergeben sich Gegensätze oder zumindest Unterschiede

• in der Betonung des Elternrechtes und der Funktion der Familie in der vorschulischen Erziehung,

• in der Forderung der Elternbildung und -information, in der Kindergärtnerinnenausbildung zur Sicherung der Chancengleichheit bei Schuleintritt,

• im Erhalt der Parallelität von neuer Mittelschule (früher Hauptschule), die wesentlich verbessert werden soll, und der Unterstufe der AHS bei gleichzeitiger Verbesserung der Durchlässigkeit von den Vorstufen in die Oberstufen der AHS,

• die Betonung des Basischarakters des Hochschulstudiengesetzes für alle hochschulreformerischen Maßnahmen,

• die Akzeptierung nur des qualifizierten Mitbestimmungsrechtes der Studenten und des Prinzips der Verminderung der Kommissionen, um die Lähmung der Arbeitsfähigkeit durch das Parkinsonsche Gesetz zu vermeiden,

• weitestgehende Flexibilität bei Schuleintritt und Schulabschluß (Matura neuer Art möglicherweise schon nach der 11. Schulstufe),

Durchführung von wissenschaftlich überwachten Schulversuchen an Stelle der Festlegung auf ideologieverdächtige Muster bezüglich Form und Inhalt des Schulsystems für die Zehn- bis Vierzehnjährigen. Wesentliche Fragen didaktischer Art wurdeni zunächst offen gelassen. Vielleicht wartet man hier schon auf die Pädagogenhochschule in Klagenfurt, deren Tätigkeit in anderer Hinsicht kräftig antizipiert wurde. Weitere Konzepte sollen die Lücken schließen. Auch ein Finanzierungskonzept soll in die Reihe der Arbeiten des Arbeitsausschusses für Unterricht, Forschung und Kunst aufgenommen werden.

Ob die polltische Entwicklung allzuviel Zeit zum Ausarbeiten lassen wird, kann kaum jemand voraussagen. Die Wissenschaftler sollten jedenfalls unbeirrt an die Lösung der Sachfragen herangehen. Die Autoren des ÖVP-Bildungskonzeptes wissen auch schon, in welcher Richtung die wissenschaftliche Arbeit gehen wird: „Damit Sie wissen, was in Klagenfurt erforscht werden soll“, scherzte Mocks „Rechte Hand“, Hochschulassistent Helmuth Schatto-vits, bei der Übergabe eines Exemplars des Bildungskonzeptes an einen Vertreter der Hochschule für Bildungswissenschaften...

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